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Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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wolkenlosen Himmel, brachte die leicht hügelige Landschaft am zugefrorenen Haff zum Leuchten. Selbst die Dämmerung schien noch erfüllt davon. In der heraufziehenden Dunkelheit begann der Himmel blaurot zu lodern. Carlotta brannten die Augen von dem ungewohnten Lichterspiel. Gleichzeitig meinte sie, nie mehr aufrecht gehen zu können, so schmerzten die Glieder vom stundenlangen Reiten.
    Die Sonne war bereits eine gute Weile vom Himmel verschwunden, als sie in der Ferne die Silhouette Königsbergs auftauchen sahen. Die beiden ungleichen Türme des Kneiphofer Doms und die markante Linie des Altstädter Schlosses formten zusammen mit den vielen anderen Türmen, Dächern und Zinnen vor dem dunkler werdenden Firmament ein eindrucksvolles Schattenspiel.
    »Lasst uns schneller reiten«, wandte Christoph sich um, sobald sie das Brandenburger Tor hinter sich gelassen hatten. »Schließlich wollen wir nicht, dass das Tor an der Grünen Brücke schließt, bevor wir dort sind. Die Nacht in einem der Krüge auf dem Haberberg zu verbringen, wäre schrecklich.«
    Ohne ihre Zustimmung abzuwarten, spornte er sein Pferd an. Carlotta und Hartung mühten sich, es ihm nachzutun.
    Schon passierten sie die ersten Hütten der Vorstadt. Nach und nach wurde die Bebauung dichter, die Hütten größer, bis die ersten Steingebäude auftauchten. Linker Hand erhob sich die Haberbergsche Kirche. Carlotta äugte hinüber. Bei ihrer Ankunft am Pregel vor mehr als vier Jahren hatte sich das Gotteshaus im Bau befunden. Nun ragte sein hoher roter Backsteinturm stolz in den Himmel. Die Straße in der Vorstadt lag wie ausgestorben. Die einsetzende Dämmerung trieb die Menschen zurück an den heimischen Herd, die Mühsal des Tages im Kreis der Familie friedvoll zu beschließen. Ein einsamer Hund bellte, zwei Katzen schossen über die Straße. Endlich erreichten sie das Tor an der Grünen Brücke.
    »He, Ihr!«, rief Christoph den beiden Wachhabenden zu, die gerade umständlich den Riegel vor die schweren Torflügel schoben. »Ihr müsst uns noch einlassen.«
    »Da könnte jeder kommen«, knurrte der eine, ein kleiner Mann mit einem gewaltigen Bauch. Sein etwas dünnerer Kamerad stimmte zu: »Es wird dunkel, das Tor ist geschlossen. Morgen früh könnt Ihr wieder Einlass begehren. Drüben in den Krügen findet Ihr gewiss eine Kammer für die Nacht.«
    Er wies auf die Häuserzeile auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Wenig einladend reihten sich dort ein halbes Dutzend einfacher Herbergen aneinander. In den meisten Fenstern brannte nicht einmal Licht. Im Winter kehrten nur wenige Händler und Reisende des Nachts dort ein.
    »Nein!« Christoph schwang sich von seinem Schimmel, nahm den schwarzen Spitzhut vom Kopf und trat auf die beiden zu. »Schließlich ist es morgen früh zu spät. Dann ist mein Vater wahrscheinlich schon tot.«
    »Wisst Ihr nicht, wen Ihr vor Euch habt?«, schaltete sich Hartung ein. Auch er war mühsam aus dem Sattel geglitten. Humpelnd und stöhnend gesellte er sich Christoph zur Seite, nestelte gleichzeitig ein Bündel Papiere aus der Rocktasche.
    »Selbstverständlich werden wir Euch die entsprechenden Empfehlungen zeigen. Meine Wenigkeit heißt Siegfried Hartung, Kaufmann zu Frauenburg am Frischen Haff. Ich hatte bereits des Öfteren das Vergnügen, hier an der Börse Geschäfte zu tätigen. Das ist der junge Medicus Christoph Kepler. Der ehrwürdige Stadtphysicus Ludwig Kepler aus der Altstadt ist sein Vater. Und der ist Leibarzt des Kurfürsten Friedrich Wilhelm höchstselbst. Nun liegt er krank danieder und braucht dringend Hilfe. Deshalb sind sein Sohn und die junge Wundärztin hierhergekommen.«
    Damit schob er die imposante Brust heraus und schaute überheblich auf die beiden Wachhabenden hinunter. Die waren in der Tat unter seinen Worten mehr und mehr in sich zusammengesunken. Sie wechselten hilflose Blicke. Doch bei der Erwähnung Carlottas schreckten sie auf.
    »Eine Wundärztin?«, brummte der kleine Dicke. »Verzeiht, Fremder, aber der gute Stadtphysicus braucht gewiss keine Wundärztin von außerhalb, um zu gesunden. Jeder weiß, wie er zu den nichtsnutzigen Scharlatanen steht. Ihr beide«, damit nickte er Christoph und Hartung zu, »könnt gerne durch. Ihr habt großes Glück. Das Tor ist noch auf. Die Dunkelheit setzt erst in wenigen Augenblicken ein. Wollen wir hoffen, Ihr gelangt noch rechtzeitig in die Altstadt, um dem guten Kepler beizustehen.«
    Erleichtert schwang sich Christoph in den Sattel, griff

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