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Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Königsberger dorthin. Wenn Ihr wollt, erkundige ich mich gern für Euch, wie Ihr mit dem Mann direkt in Kontakt kommt.«
    »Danke, das ist sehr freundlich.« Magdalena legte ihm die Hand auf den Arm. »Dass ich meine Mikroskope über Frankfurt beziehe, hat seinen besonderen Grund. Doktor Petersen von der dortigen Schwanenapotheke ist ein alter Bekannter. Schon zu Lebzeiten meines Gemahls, Gott hab ihn selig, habe ich mit ihm Geschäfte gemacht. Er vertreibt auch meine Rezepturen, wie Ihr wisst. Die Mikroskope, die er mir aus Venedig beschafft, sind von besonderer Güte. Da vertraue ich ganz seinem Urteil. Sogar dem Leibarzt des Fürsten Radziwill habe ich einmal eines von dort besorgt. Ihr wisst, wie schwierig er in solchen Dingen ist.«
    »Mag sein.« Schrempf schien enttäuscht und wechselte das Thema. »Wollt Ihr mit Mattes und der Kiste nach Hause fahren, oder soll er ohne Euch los?«
    Magdalena wollte verwundert nachfragen, da bemerkte sie, dass Schrempf sich nicht ohne Grund erkundigte. Angestrengt schaute er an ihr vorbei zur Tür. Sie drehte sich um und blinzelte in das einfallende Nachmittagslicht. Eine mittelgroße, schlanke Gestalt war dort auszumachen. Erst beim zweiten Hinsehen erkannte sie Philipp Helmbrecht.
    Sein unerwartetes Auftauchen und vor allem Schrempfs Reaktion darauf trieben ihr eine leichte Röte auf die Wangen. Unwillkürlich glitten ihre Finger am Rand ihres schwarzen Damastmieders entlang. Vergebens. Fast ihr ganzes Leben hatte sie dort, gut verborgen in der Falte zwischen ihren Brüsten, einen Bernstein getragen. Seit Erics Tod aber lag das einstige Pfand ihrer Liebe im Sarg ihres Gemahls. Helmbrechts Bernstein hingegen, der von der Größe eines Taubeneis war, verwahrte sie in einer eigens dafür angefertigten Schatulle. So fassten ihre Finger wieder einmal ins Leere. Sie rang die Unsicherheit nieder und rief fröhlich: »Helmbrecht, welch Überraschung! Wie schön, Euch zu sehen. Ich wusste gar nicht, dass Ihr diesen Herbst noch einmal an den Pregel zurückkehren wolltet.«
    8
    M agdalena trat an das Treppengeländer und sah dem Besucher entgegen. Nach einer knappen Verbeugung stieg Schrempf die wacklige Holztreppe nach unten und verließ den Speicher. Bald hörte sie ihn draußen nach Mattes rufen.
    »Die Freude, Euch zu sehen, ist ganz meinerseits.« Helmbrechts wohltönende Stimme füllte den Speicher aus. Sie war froh, die Lagerarbeiter weit weg am Kran zu wissen. Ein Zittern erfasste ihren zierlichen Körper, nervös strichen ihre Hände den rosendurchwirkten Damast ihres Kleides entlang. Ein feiner Schweißfilm bildete sich auf ihrer Oberlippe. Sie versuchte, ihn unauffällig mit der Zungenspitze wegzulecken. »Was führt Euch also noch einmal zu uns nach Königsberg?«
    Langsam stieg auch sie auf der Treppe nach unten und trat an ihn heran. Unauffällig sog sie den feinen Geruch nach Tabak, Kaffee und Schweiß ein, den er verströmte. Sie vermied es, ihm direkt in die dunkel gesprenkelten Bernsteinaugen zu sehen. Zu gut kannte sie sich, um zu wissen, dass sie deren geheimnisvollem Sog nicht widerstehen könnte. Ihr Blick wanderte über seine schlanke Gestalt. Im Gegenlicht wirkte er imposanter als sonst, dabei war er mindestens einen halben Kopf kleiner, als Eric gewesen war. Auch die Schultern waren weniger kräftig. Wie stets war er elegant gekleidet. Der dunkle Rock und die hellbraunen Kniebundhosen wiesen jedoch ebenso wie die safranfarbenen Stiefel aus weichem Leder deutliche Spuren der zurückgelegten beschwerlichen Reise auf. Statt sich nach seiner Ankunft in seiner Unterkunft zu erfrischen, musste er direkt zu ihr geeilt sein. Das brachte ihren Puls erneut zum Rasen.
    »Könnt Ihr Euch nicht vorstellen, was mich zu Euch treibt? Ach, es passt zu Euch, so zu tun, als wäre hier am Pregel alles in bester Ordnung, verehrte Magdalena.« Mit seinen gepflegten Fingern drehte er den breitkrempigen Reisehut in der Hand, strich sich mit der anderen Hand über den schmalen Oberlippenbart. Die blatternarbigen Wangen wirkten blass und eingefallen.
    »Wie kommt Ihr nur auf die Idee, das wäre es nicht?«, fragte sie leicht gekränkt über den Vorwurf, sie wolle den Ernst der Lage nicht begreifen. Entschieden raffte sie ihren Rock und drängte sich nah an ihm vorbei zur Tür. Dabei streiften ihre Finger zufällig die seinen. Die unverhoffte Berührung versetzte ihr einen Schlag. Von neuem biss sie sich auf die Lippen und schaute angestrengt nach draußen. Sie brauchte Luft.

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