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Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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immer wieder bestätigt.«
    7
    S treng bewachten Merkur, Neptun und Chronos das Kneiphofer Wappen gleich am Eingang der direkt auf Pfählen über dem Alten Pregel errichteten Börse. Wie so oft, wenn sie das Gebäude betrat, beäugte Magdalena argwöhnisch all die vielen in Stein gemeißelten Figuren. Sirenen, Meerungetüme und andere geheimnisvolle Gestalten fanden sich darunter. Auch die rund fünf Dutzend Sinnsprüche in dem anschließenden Prunksaal, die zu mehr Bescheidenheit, Gottesfurcht und Zufriedenheit mahnten, flößten ihr stets Respekt ein. Zwar mutete es etwas befremdlich an, gerade den Ort, an dem es ums Geldverdienen und Geschäftemachen ging, mit Sprüchen auszuschmücken wie:
    DER TÖDT’T DIE BEGIERD, WIRD EWIG SATT.
    EIN ARMER EMPFÄNGT EINEN GEFÜLLTEN
GELDBEUTEL, EIN REICHER ABER RUTENSTREICHE
UND GEISSELHIEBE VOM HIMMEL
MIT SEINER AUSGESTRECKTEN HAND.
    JE HÖHER GLÜCK, JE MINDER SICHERHEIT.

    Doch schien darin wohl der besondere Witz des hiesigen Menschenschlags zu bestehen, wie die Königsberger sich auch in anderen Belangen gern widersprüchlich zeigten.
    »Wo bleibt Ihr, Verehrteste?«, hörte sie Grünheide rufen.
    Von einer Handvoll Zunftgenossen umringt, stand er bereits inmitten des ehrwürdigen Gemäuers und winkte ihr freundlich zu. Prüfend glitt der Blick ihrer smaragdgrünen Augen durch den langgestreckten Saal. Die meisten der doppelflügeligen Rundbogenfenster auf der Längsseite zeigten nach Süden. Fast zwei Stunden mochte es noch dauern, bis das goldene Sonnenlicht von dieser Seite den spärlich möblierten Raum überflutete. Düstere Stimmung aber herrschte dennoch nicht. Nahezu die gesamte Kaufmannschaft der Dreistädtestadt am Pregel hatte sich zwischen den holzgetäfelten Wänden versammelt. Zudem waren die vereidigten Makler sowie einige Reisende und Händler aus benachbarten Städten zugegen.
    Magdalena war nicht die einzige Frau unter den Kaufleuten. Immer wieder stand eine Geschlechtsgenossin neben einem der munter mit ihren Stäben gestikulierenden Makler oder bei einem der weitgereisten Händler. Fachkundig beteiligten sich die Kauffrauen am Gefeilsche um Holz- oder Pelzlieferungen aus dem hohen Norden, Wolle und Getreide aus dem Süden oder auch an den lebhaften Diskussionen über die Lage im Kneiphof. Die Mienen ließen keinen Zweifel daran, wie sehr man auch nach Roths Verhaftung gewillt war, die Geschäfte wie gewohnt fortzusetzen.
    »Zum Geldverdienen brauchen wir den Kurfürsten nicht«, stellte ein kahlköpfiger Makler fest, in dem Magdalena Laurenz Beentz aus der Goldenen Pongasse erkannte.
    »Selbst dreitausend kurfürstliche Soldaten jagen echten Königsberger Kaufleuten wie uns keine Angst ein«, pflichtete Grünheides Kumpan Gutfried eifrig bei.
    »Nie und nimmer verzichte ich auf die mir zustehenden Gewinne, nur weil der Kurfürst mit dem Säbel rasselt«, ergänzte Beentz.
    »Selbst wenn er meint, den Kneiphof vollständig abriegeln zu müssen, werden wir Mittel und Wege finden, unserem Geschäft nachzugehen.« Auch Grünheide zeigte sich selbstbewusst.
    »Friedrich Wilhelm wird den Teufel tun, unsere Geschäfte zu beschneiden.« Gutfried setzte ein triumphierendes Lächeln auf. »Wenn wir kein Geld verdienen, fließen erst recht keine neuen Steuern in seine Kassen.«
    »Und dann kann er sich die Einrichtung eines stehenden Heeres und all seine Träume von Feldzügen gegen die Russen, Schweden und Litauer sonst wohin schreiben«, posaunte ein pausbäckiger Kaufmann aus der Schuhgasse freiheraus.
    Die umstehenden Kaufleute brachen in befreites Lachen aus. Selbst die Altstädter und Löbenichter, die dem Kurfürsten unlängst erst gehuldigt und damit die Kneiphofer im Stich gelassen hatten, stimmten ein.
    »Ich sage ja immer, unter dem Schutz unseres guten polnischen Freundes Johann II. Kasimir stünden wir uns gar nicht so schlecht. Es ist töricht, dass der Bundesbrief nicht unterzeichnet wurde. Da müssten wir jetzt nicht gegen den Kurfürsten wettern und drohende Abgaben sowie den Angriff der Dragoner in unseren eigenen Mauern fürchten. Roth hat Anfang des Jahres recht getan, sich des polnischen Beistands zu versichern. Wir sollten uns gut überlegen, wie wir den einfordern können.« Wichtigtuerisch wippte ein rotbärtiger Mann auf den Stiefelspitzen vor und zurück.
    Stille breitete sich in der Börse aus. Manche schauten betreten zum Fenster, andere hüstelten verlegen in die Faust. Magdalena hielt den Atem an. Deutlich spielten die Worte auf das

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