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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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auch 'nen Eimer hinjestellt.«
    »Für strullen und abprotzen …«
    »Kleene, du bist in Ordnung. Du hast'n richtijen Drall. Los, krabble nach hinten. Und meld dir erst, wenn ick in den Wagen flüstere: Komm raus. Vastanden?«
    Jana Petrowna nickte, schwang die Beine über die Laderampe und kroch an der Wand entlang zu ihrem Lager. Ihre Augen hatten sich schnell an die Dunkelheit gewöhnt, sie erkannte den Eimer in der Ecke, und neben den drei Decken Paschkes eine ›eiserne Ration‹, die Notverpflegung der Soldaten, die nur im allerhärtesten Notfall aufgerissen werden durfte und die man bei jedem Appell vorzeigen mußte, genauso wie die Präservative. Paschke, als Unteroffizier, kontrollierte man nicht … er selbst kontrollierte die anderen Landser, die Fahrer und Beifahrer.
    Sie legte sich hin, konnte sich sogar in dem Hohlraum zwischen den Kisten ausstrecken, schob die Wachstuchtasche als Kissen unter ihren Nacken und schloß die Augen. Erst jetzt spürte sie das Zittern in ihrem Körper, die Anspannung der Nerven und versuchte, sich zu beruhigen. Alles ist gutgegangen, sagte sie zu sich. Und alles wird auch weiterhin gutgehen. Nur Ruhe, Ruhe, Jana Petrowna, das ist das wichtigste. Einen immer klaren Kopf mußt du behalten. Nichts kann dir passieren … diese Schwesterntracht macht dich unangreifbar.
    Irgendwann später hörte sie draußen Stimmen. Paschke rief laut: »Alles in Ordnung, Herr Rittmeister.« Und dann Dr. Runnefeldts Stimme: »An kritischen Stellen halten wir und warten auf Sie. Wann müssen Sie tanken?«
    »Alle Fahrzeuge sind vollgetankt, Herr Sonderführer. Das müßte für 400 Kilometer reichen.«
    »Also dann … macht's gut, Jungs.«
    »Gute Fahrt, Herr Sonderführer.«
    Sie hörte das Anlassen eines Motors, der Kies knirschte unter den anfahrenden Reifen, irgendwo quietschte es. Gute Fahrt, Väterchen … ich bin hinter dir, ich komme dir nach. Sie legte sich wieder zurück auf Tasche und Decken und drückte das Ohr an die Holzwand zur Fahrerkabine, als der Gefreite Doll hinter das Lenkrad kletterte. Die erste Strecke fuhr er. Er hatte ausschlafen dürfen.
    Das wollte jetzt auch Paschke machen und kuschelte sich bequem in seinen Sitz.
    »Du, isch han vürhin ne dolle Nummer jehört!« sagte Doll. »Kütt die Lehrerin in de Klass, setzt sich ans Pult … und hätt kein Botz an! Fränzchen in der eschten Reih kann ihr untern Rock spinxe und fängt an, breit zu grinsen. ›Fränzchen –‹ fragt die Lehrerin. ›Wat ist denn? Warum laachste su?‹ Und da Panz antwortet: ›Frollein, isch han noch nie 'n Schlüpfer aus Maulwurffell jesinn …‹ Jut, wat?«
    »Abfahren!« schrie Paschke. »Du dämlicher Hund! Laß alle vorbei – wir machen den letzten!«
    »Warum dat denn? Bisher …«
    »Bisher is nich heute! Ick bin verantwortlich, daß keener verloren jeht. Und det siehste am besten hinten, als letzter. Kapiert?«
    Det is der sicherste Platz, dachte Paschke. Da haste keenen hinter dich. Da kann die Kleene ooch mal de Neese ins Freie stecken und keener sieht det. War schon in de Schule so … hinten links, letzte Bank, da konnste imma in Deckung jehen. Intelligent mußte sein, Jefreiter Doll.
    Endlich dröhnte der Motor auf, der Aufbau begann zu wackeln, es knackte, als Doll den Gang einlegte, und dann setzte sich der Wagen in Bewegung und drückte unter seinen Rädern den Kies weg. Unter dem Bodenblech klang es wie das Trommeln von Schrotkugeln.
    Königsberg, wir kommen, dachte Jana Petrowna. Das Bernsteinzimmer kommt … und wir Wachters.
    Irgendwann fielen ihr vom Schwanken des Wagens und dem gleichmäßigen Motorengebrumme die Augen zu, und sie schlief fest mit einem Lächeln um die Lippen.
    Als sie aufwachte, war heller Tag, aber es regnete. Auf die Dachplane trommelten die Tropfen. Neben Doll schlief Julius Paschke mit offenem Mund und schnarchte fürchterlich. Am Mittag war Fahrerwechsel, da sollte es Bohnensuppe geben, aus Dosen, die auf einem Spirituskocher heiß gemacht wurden. Dann wollte sich Doll für das bestialische Schnarchen rächen.
    Jana Petrowna rutschte an die Kabinenwand und schob sich an ihr empor. Durst hatte sie, aber daran hatte Paschke nicht gedacht. Er hatte ihr seine Feldflasche nicht dagelassen.
    Auf den Knien untersuchte Jana die vor ihr stehenden Kisten, fand einen abgesplitterten Span, riß ihn aus dem Holzdeckel und begann, auf ihm herumzukauen. Der Speichel, der sich dabei bildete, verdrängte etwas das Durstgefühl. Es war eine alte, simple Erfahrung:

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