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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Kauen, kauen, ganz gleich, was es ist … nur kauen … damit hältst du den Durst aus. Eine Zeitlang wenigstens läßt sich der Körper betrügen.
    Im Licht, das durch die Planenritzen schimmerte, las sie, was Dr. Runnefeldt auf die Kistenseiten mit dickem Fettstift geschrieben hatte.
    Nr. 23 stand direkt vor ihr und hatte den Span geliefert.
    Vier Engel, ein Kriegerkopf und eine große Vasenplastik. Und dann, nachträglich, weil mit einem anderen Stift geschrieben, hatte Dr. Runnefeldt noch hinzugefügt:
    Eine Madonna aus Bernstein, gefunden im Schlafzimmer der Zarin Elisabeth-Petrowna.
    Petrowna. Jana beugte sich vor, küßte die Kiste und den Namen und bekreuzigte sich dann.
    Madonna, hilf, daß alles gutgeht.
    Und bitte, kümmere dich auch um Väterchen.
    Dr. Runnefeldts Auto, ein offener Wagen der Marke Adler, kam gegen den russischen Regen nicht an. Das derbe, feste Segeltuchdach war zwar ein Schutz, aber an den Seiten regnete es durch. Es schloß nicht dicht genug mit dem Rahmen der Karosserie ab.
    Außerdem stand ein ziemlich heftiger Wind auf der rechten Seite und peitschte den Regen durch die Ritzen. Rechts aber, vorn neben dem Fahrer, saß Rittmeister Dr. Wollters und blickte verbissen in die graue, rauschende Gegend. Er hatte es so gewollt, er hatte es strikt abgelehnt, hinten neben Wachter zu sitzen, den er für völlig unnütz hielt. Dr. Runnefeldt hatte nichts dagegen, die Plätze zu tauschen, und jetzt freute er sich, daß ausgerechnet vorn rechts das Faltdach eine große Lücke zwischen Fensterrahmen und Dachumrandung hatte. Wollters rechte Uniformseite begann durchzunässen. Der Stoff saugte das Wasser wie ein Schwamm auf – eine maßgeschneiderte Uniform aus bestem Aachener Tuch.
    »Ein Mistwagen ist das!« sagte Wollters empört und drehte sich zu Dr. Runnefeldt und Wachter um. Auch bei ihnen drang der Regen durch ein paar Ritzen, aber es war noch zu ertragen. In die breiteste Ritze hatte Dr. Runnefeldt sein Taschentuch geklemmt und lächelte Wollters in einer Art von Resignation an. »Wer hat Ihnen denn diese Krücke angedreht?«
    »Im Sommer ist ein offener Wagen ideal«, erwiderte Dr. Runnefeldt gelassen.
    »Da kann man vor Staub nicht mehr atmen! Und im Winter? Zittern Sie sich warm?«
    »Da sitze ich in meinem Büro in Berlin.«
    »Im Winter sind Kunstschätze in den eroberten Gebieten für Sie nicht vorhanden?«
    »Richtig. Mein lieber Herr Wollters … Kriege fangen erfahrungsgemäß im Sommer oder im Herbst an, wenn das Korn so richtig kräftig steht, die Felder überquellen, die Straßen und Wege pulvertrocken und hart sind. Haben Sie schon mal von einem Krieg gehört, der im Winter anfing? Denken Sie mal die Jahrhunderte zurück. Auch unser Krieg: Polen am 1. September, Frankreich 10. Mai, Rußland am 22. Juni … immer zur besten Zeit. Und bis zum Winter hatten wir Gelegenheit genug, uns um die Sicherstellung der Kunstwerke zu kümmern.«
    »Aber jetzt kommt der Winter …«
    »Das schreckt mich nicht. Wenn wir Moskau in diesem Jahr noch erobern, hat der Abtransport der noch gar nicht abzusehenden Kunstschätze Zeit bis zum Frühjahr. So lange werden wir sowieso brauchen, um alles zu erfassen. Was allein im Kreml lagert –« Wachter verbiß sich eine Frage, die ihm auf der Zunge lag. Glauben Sie wirklich, hätte er fragen mögen, daß die Deutschen Moskau erobern? Nur drei, vier Wochen noch, höchstens, dann ist der Winter, die Schnee- und Eiszeit da. Der ›General Winter‹, wie er seit Napoleons Untergang vor Moskau heißt. Hat einer von euch schon einen russischen Winter erlebt? Wißt ihr, wenn der Schneesturm über das Land heult, wie armselig ihr dann alle seid, trotz eurer Technik, trotz Panzer und Flugzeugen? Vereisen werden sie alle, am Boden friert ihr fest … da hilft euch kein Befehl von Hitler, nur vorwärts und nicht zurück zu marschieren. Der russische Winter ist stärker als alles … er macht mit euch, was er will, nicht, was ihr wollt. Und gegen General Winter wollt ihr Moskau besetzen? Warten wir es ab, meine Lieben. Kommt nicht jetzt schon die Front vor Moskau zum Stehen?
    Rittmeister Dr. Wollters schwieg. Die Belehrungen, die ihm Dr. Runnefeldt so freundlich erteilte, kotzten ihn an. Auch er zerrte aus der Hosentasche ein Taschentuch und stopfte es in die Verdeckritze; aber bei ihm half das wenig, es war in kurzer Zeit durchnäßt. Der Regen tropfte auf seine Uniform, als sei das zusammengedrehte Taschentuch ein Wasserhahn.
    »Gibt es denn hier nichts, womit

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