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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Widerspruch.
    Koch eröffnete die Besprechung mit einer grundsätzlichen Frage an Dr. Findling: »Wie lange brauchen Sie zum Aufbau des Bernsteinzimmers im Schloß, Dr. Findling?«
    Und Findling antwortete sofort: »Fünf bis sechs Monate, Herr Gauleiter!«
    Er war auf diese Frage vorbereitet, und auch die Reaktion Kochs hatte er vorausgesehen. So erschrak er nicht, als Koch ihn anstarrte, und duckte sich auch nicht, als Koch plötzlich schrie:
    »Ja, sind Sie denn verrückt geworden?! Sechs Monate?! Sechs Wochen gebe ich Ihnen –«
    »Unmöglich.«
    »Nichts ist unmöglich! Dr. Runnefeldt, wie lange dauerte der Ausbau in Puschkin?«
    »Sechs Tage.« Dr. Runnefeldt warf einen ermunternden Blick hinüber zu Dr. Findling.
    »Und Sie, Findling, quatschen von sechs Monaten?« schrie Koch aufgebracht. »Sind Sie noch besoffen?!«
    »Ich muß dem Kollegen Findling rechtgeben.« Dr. Runnefeldt, der keine Angst vor Koch hatte, zumal seine Auftraggeber Hitler, Bormann und das Außenministerium waren, ließ sich von Kochs giftigen Blicken nicht beirren. »Ausbauen ist ungleich einfacher als aufbauen. Man kann ein Haus in wenigen Stunden niederreißen, aber nicht neu bauen. Es ist ja nicht damit getan, die Wandtafeln einfach aufzustellen. Das Zimmer muß sachgemäß rekonstruiert werden. Tafel für Tafel, Figur für Figur.
    Und nun, wo wir es zerlegt vor uns haben, sollte es auch historisch-wissenschaftlich untersucht und katalogisiert werden. Verschiedene Epochen und Künstler haben an ihm gearbeitet … vom Bernsteinschneider Gottfried Wolffram und den Danziger Meistern Ernst Schacht und Gottfried Turow im Jahre 1707 bis zu Rastrelli im Jahre 1760 in Zarskoje Selo, dem Jahr der endgültigen Aufstellung des Zimmers unter Zarin Elisabeth. Und auch dann noch, ab 1763, arbeiteten fünf Königsberger Bernsteinmeister am Aufbau und an Ergänzungen der Vertäfelung weiter. Es waren Friedrich und Johann Roggenbuch, Clemens und Heinrich Wilhelm Friedrich und Johann Welpendorf. Das müssen wir alles sehr genau registrieren, bevor wir das Bernsteinzimmer wieder einbauen.«
    »Unser Superfachmann!« Koch kratzte sich die Nase und strich dann über seinen kurzen Schnurrbart. »Was sagen Sie dazu, Dr. Wollters?«
    »Ich pflichte den Ausführungen des Kollegen Findling bei, Herr Gauleiter«, antwortete der Rittmeister vorsichtig. »Wir haben jetzt die beste und ich glaube einmalige Gelegenheit, das Bernsteinzimmer genau zu untersuchen und kunsthistorisch auszuwerten.«
    »Mit Wissenschaftlern zu arbeiten, ist eine Strafe!« Koch wandte sich wieder Dr. Findling zu. »Ich wünsche, daß alle diese Arbeiten so schnell wie möglich ausgeführt werden. Nicht, daß uns die Zeit überrollt und der Krieg gewonnen ist, bevor das Bernsteinzimmer im Schloß aufgebaut ist. Sie wissen doch, meine Herren, daß dann das Zimmer nach Linz, in die Ostmark, kommen könnte. Mein ganzes Trachten ist, diesen einmaligen Schatz hier im Schloß zu lassen … für alle Zeiten! Wenn es in Einzelteilen herumliegt, ist es leichter abzutransportieren, als wenn es wieder eingebaut ist und eventuell neuen Schäden ausgesetzt wird. Beeilung also, Dr. Findling. Ob nun eine geschnitzte Figur von Meister Popofax stammt oder eine Girlande von Meister Pipiström, das ist doch im Grunde gleichgültig!«
    »Nicht für die Wissenschaft, Herr Gauleiter«, sagte Dr. Runnefeldt furchtlos.
    »Ich sagte es ja: Ihr Wissenschaftler seid eine Strafe Gottes.« Koch hieb mit der Faust auf den Tisch, daß die von einer Ordonnanz servierten Kaffeetassen klirrten. »Wann darf ich wenigstens eine Tafel sehen? Ist das denn erlaubt?«
    »Wir werden einige Kisten öffnen und eine Tafel zusammensetzen. Allerdings nur liegend, Herr Gauleiter.«
    »Wie gütig von Ihnen.« Koch erhob sich abrupt. Die erste Bernsteinzimmer-Konferenz war damit beendet. Die anderen Herren schnellten von ihren Stühlen hoch. »Wann?« fragte Koch.
    »Ich werde versuchen, es heute nachmittag zu bewerkstelligen.«
    »Versuchen Sie es, Dr. Findling.« Dicker Spott lag in Kochs Stimme. »Wohin darf ich mich begeben?«
    »Ich schlage vor, eine Tafel auf dem Boden des für den Aufbau vorgesehenen Zimmers Nummer 37 auszulegen.«
    »Und um welche Uhrzeit wäre meine Anwesenheit genehm?«
    »Ich werde Sie benachrichtigen, Herr Gauleiter.«
    »Zu gütig!« Koch ging zur Tür, gefolgt von seinem Schatten Bruno Wellenschlag. »Denken Sie daran, daß ich um neunzehn Uhr zu Abend esse …«
    Er riß die Tür auf und stampfte hinaus.

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