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Das Beste aus meinem Leben

Das Beste aus meinem Leben

Titel: Das Beste aus meinem Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel Hacke
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ist schöner, glaube ich«, sagte Bosch. »Aber woher soll ich es wissen? Ich weiß nichts. Ich weiß nicht mal, was ein Film ist, weil ich in der Küche stehen muss, wo kein Fernseher ist.«
    »Du passt nicht ins Wohnzimmer«, sagte ich.
    »Dass ich mich in meinem Alter so bevormunden lassen muss«, sagte er scharf. »Eine Schande.«
    Es entstand eine Pause. Ich räumte Gläser in die Spülmaschine.
    »Küsst du gerne?«, fragte Bosch plötzlich. »Ich meine, nicht Paola… All diese Leute?«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Manchmal küsse ich richtig gern. Manchmal fühle ich mich auch sehr hölzern, und es ist mir zu intim, zu nah – man ist ja auch in dieser Sache von seinen Stimmungen abhängig. Ein Begrüßungskuss ist kein Händeschütteln. Aber wenn man mal angefangen hat mit dem Küssen, kann man nicht mehr aufhören. Küsst du plötzlich eine Person nicht mehr, die du immer geküsst hast, wird sie denken: Steht was zwischen uns, was ich nicht kenne? Also küsst du immer, egal wie dir zumute ist.«
    »Auch wenn sie gar nicht deine Freundin ist?«, fragte Bosch. »Nur eine Bekannte.«
    »Auch dann«, sagte ich. »Man küsst heute fast jeden. Ich weiß nicht, warum. Wir haben dieses Gefühl einfach gern: Eigentlich kenne ich viele Leute sehr gut. Eigentlich haben mich viele Leute sehr gern. Eigentlich sind mir viele sehr nah. Je mehr wir uns voneinander entfernen, je oberflächlicher wir leben, je mehr wir uns isolieren, je zersplitterter unsere Familien sind, je weniger Zeit wir für andere haben – desto mehr wird geküsst.«
    Wieder eine Pause. Die Spülmaschine war voll. Ich klappte sie zu und schaltete sie an.
    »He!«, zischte Bosch.
    »Ja?«, sagte ich.
    »Würdest du sagen, dass ich dein Freund bin?«, fragte er. »Natürlich«, sagte ich.
    »Dann gib mir ’n Kuss«, sagte er. »Ich will wissen, wie das ist.«
    »Ich kann keinen Kühlschrank küssen«, sagte ich.
    »Gestern abend konntest du Leute küssen, die du kaum kanntest«, rief er. »Jetzt weigerst du dich, mir einen einzigen kleinen Kuss zu geben?«
    Ich ging zu ihm. Drückte meine Lippen leicht auf das kühle weiße Metall oberhalb des Türgriffs. Ein Seufzen schüttelte ihn. Sein Motorgeräusch erstarb. Ich hörte nichts mehr.
    »Was machst du denn da?«, fragte plötzlich Paola hinter mir.
    »Den Kühlschrank küssen«, sagte ich.
    »Hast du soviel getrunken gestern abend?«, fragte sie.
    »Darum geht es nicht«, sagte ich, nahm sie in den Arm und küsste sie, damit sie nicht weiter fragte.

Eland
    D as Leben der Puppe »Eland« – oh, wie grausam und rätselhaft. Schon warum die Puppe »Eland« heißt: Ich verstehe es nicht. Wir haben sie für Luis gekauft, unseren dreijährigen Sohn. Als wir ihn fragten, wie sie heißen solle, antwortete er, wie aus der Pistole geschossen: »Eland«. Warum? Das erklärte er nicht.
    Es gibt in seinem Kindergarten, glaube ich, einen Jungen namens Elard, vielleicht hat er da etwas falsch verstanden, ist ja ein seltener Name. Elard, sagt mein Namenslexikon, sei die niederdeutsche Form von Eilhard, das sei eine Nebenform von Agilhard, das sei althochdeutsch und bedeute »starkes Schwert«. Stark ist die Puppe, hält viel aus. Aber Schwert? Na, sie heißt ja auch nicht Elard. Sie heißt Eland.
    Eland gehört seit einem Jahr jener seltsamen kleinen Wohngemeinschaft an, die wir in unserer Wohnung beherbergen: Der Affe »Opitzer«, die Kröte »Schascha« und die Ananas »Ananas« sind ihre Kernmitglieder, Wesen aus plüschigstem Plüsch. Dazu stießen im Laufe der Zeit ein Nashorn, ein Elefant, ein Pinguin, ein Eisbärchen, ein Dackel, ein Bär sowie diverse Kleintiere, deren Aufzählung den Rahmen sprengen würde.
    Das ebenso autoritäre wie brutale wie sentimentale Oberhaupt dieser Schicksalgemeinschaft ist Luis. Er kann lieben und hassen, annehmen und verstoßen, prügeln und kosen. Doch beschränkt sich das Leben der Wohngemeinschafts-Mitglieder auf kurze Auftritte in Luis’ Leben, eine Ausfahrt mit dem Bobbycar, einen Besuch im Sandkasten. Danach wieder gemeinsames Dösen in der Zimmerecke mit der schläfrigen Herde.
    Anders für Eland. Mit ihr ist es so: Abend für Abend begehrte Luis, während er einschlief, mit Paolas oder meinen Haaren zu spielen, sie sich strähnenweise um den Finger zu wickeln, an ihnen zu ziehen oder sie wie einen Pinsel streichelnd über die Wangenhaut zu führen, während sich seine Lider senkten und senkten. Aber wir hielten das eines Tages nicht mehr aus, das Gezerre und

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