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Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition)

Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition)

Titel: Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Donohue
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an Lucias Seite nichts dergleichen empfand.
    Meine Mutter begann ihren Tag für gewöhnlich mit einem Glas eisgekühltem Wasser und einer Runde Power-Walking unten an der Bucht, doch mein Vater, von dem ich nicht nur eine unfehlbare innere Uhr, sondern auch Geschäftssinn, ein an Besessenheit grenzendes Interesse an den Tagesnachrichten und eine Schwäche für Süßes geerbt hatte, frühstückte seit meiner Ankunft jeden Tag mit mir. So verbrachten wir die Vormittage damit, die Zeitungen zu studieren und uns gelegentlich aus einem Artikel vorzulesen, während ich mich über ein extragroßes Croissant und er sich über ein Riesenstück Coffee Cake hermachte. Als ich mich an dem Morgen nach der Benefizparty endlich dazu aufraffen konnte, aufzustehen, eine schwarze Röhrenjeans und eine Baumwollbluse anzuziehen und nach unten zu gehen, war mein Vater schon längst bei seinem dritten Becher Kaffee angelangt.
    Sonja, die Köchin meiner Eltern, brachte meinen grünen Tee, als ich ins Esszimmer kam. Mein Vater warf mir über den Rand seiner Zeitung einen Blick zu und stieß einen leisen Pfiff aus.
    »Ich weiß, ich weiß«, sagte ich so leichthin wie möglich. »Mein letzter Arbeitstag liegt erst eine Woche zurück, und schon werde ich faul. Und, was ist los in der Welt ? Was verpasse ich, wenn ich mal fünf Minuten verschlafe?«
    »Ach, die Welt hat sich in Ruhe weitergedreht, keine Sorge«, sagte Dad und schüttelte die Zeitung auf, um besser umblättern zu können. Groß, breitschultrig und ungestüm, wie er war, kam mir mein Vater vor wie die 65-jährige menschliche Version eines achtjährigen Golden Retriever: liebevolle braune Knopfaugen, laute Stimme, unersättlicher Appetit. Zu Hause äußerte sich dieses Naturell in einer leutseligen, ja leidenschaftlichen Hingabe meiner Mutter und mir gegenüber, aber ich hatte genug seiner Telefonate mitgehört, um zu wissen, dass Thaddeus St. Clair knallhart sein konnte, wenn es ums Geschäft ging.
    »Mist«, sagte ich. »Was für eine ernüchternde Erkenntnis, dass die Welt ohne mich nicht untergeht.« Ich schenkte mir eine Tasse Tee ein, biss lustlos in ein Croissant und starrte auf die erste Seite des Wall Street Journal , ohne eine einzige Zeile zu lesen.
    »Das war aber ein tiefer Seufzer«, sagte mein Vater nach einigen Minuten Stille.
    »Was?«
    »Du hast gerade geseufzt, mein Liebes. Und zwar sehr laut. Wenn ich diese Zeitung nicht schon durch hätte, würde mir um meine Aktien angst und bange werden.«
    Hatte ich tatsächlich geseufzt? Mir war nichts dergleichen bewusst. Doch als ich die sorgenvolle Miene meines Vaters sah, schaute ich schnell weg, um nicht in Tränen auszubrechen. Seit Tagen kämpfte ich dagegen an, und dabei war ich noch nie eine Heulsuse gewesen! Innerlich fügte ich das der Liste an Signalen hinzu, mit denen mein Körper mir offenbar mitteilen wollte, dass ich ihn nicht länger unter Kontrolle hatte. Jedes Mal, wenn mir in den letzten Wochen die Tränen gekommen waren, hatte ich sie entsetzt und wütend hinuntergeschluckt. Eine St. Clair blickt nie zurück , ermahnte ich mich selbst. Wir blicken nicht zurück, und wir weinen nicht. Meine Mutter und mein Vater waren jeder auf seine Art aus zähem Holz geschnitzt, eine Veranlagung, die bis zu den fleißigen Goldsuchern auf den unteren Ästen unseres Stammbaums zurückreichte. Meine Eltern, das wusste ich nur zu gut, ließen sich selten von ihren Gefühlen hinreißen. Sie mochten ihre Schwächen haben, doch alles in allem bewunderte ich sie sehr. Beide waren äußerst erfolgreich: Mein Vater hatte seine geerbten Millionen durch clevere Investitionen in neue Technologien vervielfacht; meine Mutter hatte ihrerseits Millionen, wirklich Millionen Dollar für verschiedene Hilfswerke und soziale Einrichtungen im Großraum San Francisco gesammelt. Ihr Erfolgsrezept lag auf der Hand: Strategie, Konzentration und Zielstrebigkeit. »Nein« war keine Antwort, die sie akzeptierten, und eine Eins minus war keine Note, für die ich jemals Lob und Süßigkeiten bekommen hätte.
    »Julia?«, hakte mein Dad behutsam nach.
    Ich setzte mich gerade hin und machte eine abwehrende Handbewegung. »Alles okay. Es ist nur die Hochzeit. Dummes Zeug.«
    Dad nickte verständnisvoll und räusperte sich. »Eine Feier mit dreihundert Gästen auf die Beine zu stellen ist kein Kinderspiel. Aber wenn das jemand schaffen kann, dann du.« Er machte eine Pause. »Und wenn es dir zu viel wird, ist deine Mutter sicher nur allzu gern bereit,

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