Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition)
unabhängig. Ihr seid beide auf eure Art Einzelgängerinnen, ohne es zugeben zu wollen. Und ihr fühlt euch wahrscheinlich beide einsam.«
»Geht das nicht jedem so?«, fragte ich. »Wenn Einsamkeit das einzige Kriterium für Familienbande ist, wäre ich mit allen Menschen auf der Welt verwandt. Und wenn ich die gleichen Gene habe wie andere einsame Herzen, wie Jennifer Aniston zum Beispiel, dann möchte ich bitte schön wissen, warum ich keinen Waschbrettbauch und keine blendend weißen Zähne habe.« Die Welt konnte so ungerecht sein.
»Blendend weiße Zähne sind keine Veranlagung, sondern das Werk eines Zahnarztes«, sagte Becca mit einem schwachen Lächeln. Ich spürte, dass ich sie gekränkt hatte. Wie war es möglich, dass Becca mir meine Beziehung zu Julia übelnahm? Becca, die einen tollen Freund, eine ganze Schar von lauten, tapsig-liebevollen Brüdern und eine Mutter hatte, die ihr immer noch regelmäßig Carepakete mit Rice Crispies schickte? Sie rückte mit angespanntem Gesicht ein Stück von mir ab. Es war das erste Mal, dass sich ein Missklang in unsere Freundschaft mischte – ich wusste gar nicht, wie ich damit umgehen sollte. Das Schweigen war kaum auszuhalten. Meine Gedanken wanderten zu den albernen Slapstick-Nummern, mit denen ich andere Leute nachgeäfft hatte, wenn meine Mutter nicht gut drauf war.
»Hör mal«, sagte ich daraufhin und stupste sie mit dem Zeh am Oberschenkel an. »Hab ich dir schon den Witz mit Jake und seiner Kiley erzählt?«
Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass ich mich nach dem morgendlichen Gespräch mit Julia nicht zum x-ten Mal fragte, warum ich es zugelassen hatte, dass unsere Leben sich wieder so miteinander verwoben. Wäre ich imstande gewesen, sowohl Julia als auch Jake ein für alle Mal den Rücken zu kehren, hätte ich es vielleicht getan. Und rückblickend betrachtet, hätte ich es vielleicht tun sollen; dann wären uns auf jeden Fall einige brenzlige Situationen erspart geblieben, auf die wir ahnungslos zusteuerten. Aber ich war glücklich mit Jake, trotz allem. Und Julia? Ich stellte mir vor, wie wir auf dem Bürgersteig der Twentieth Street um unsere Unternehmensanteile feilschten wie ein altes Ehepaar, das nach unzähligen Streitereien beschlossen hat, getrennte Wege zu gehen. Hey, Jules , würde ich sagen. Ich bin dann mal weg, aber die Muffin-Backformen nehme ich mit.
Das Problem – zumindest eins davon – war, dass ich schon längst rettungslos verliebt war, und das hatte zur Abwechslung mal nichts mit Jake Logan zu tun. In den wenigen, rasend schnell vergangenen Wochen seit der Eröffnung war ich dem Treat ganz und gar verfallen. In den frühen Morgenstunden, wenn ich ganz allein in der Küche herumwerkelte, musste ich mich manchmal zwicken und mir vorsagen: Das ist mein Café. Es ist meins. Es ist meins. Das leise Quietschen der Eingangstür, wenn jemand hereinkam. Die dumpfen Schritte der Kunden auf den Holzdielen und den abgewetzten Teppichen. Das gedämpfte Klirren der Cupcake-Vitrine, wenn sie auf- und zugeschoben wurde. Die Kisten voller Zucker und Mehl, Milchprodukte und Obst, die in der Morgendämmerung angeliefert wurden. Das altmodische Klingeln der Kassenschublade. Das unglaubliche Gefühl, einen Traum zu verwirklichen, und zwar früher, besser und schöner, als ich mir je erhofft hätte. Ich war wirklich bis über beide Ohren verliebt.
Und obwohl der Laden sehr gut angelaufen war, konnte es ohne Julia schnell wieder den Bach runtergehen. Natürlich brauchte ich ihr Geld, aber mir war längst klar geworden, dass sie nicht nur aus finanzieller Sicht eine wertvolle Hilfe war. Selbst bei eingeschaltetem Radio konnte ich bis in die Küche hören, wie sie mit den Kunden plauderte und ihnen unsere Produkte auf so subtile Art schmackhaft machte, dass ihr Gegenüber es für seine eigene Idee hielt, nicht nur den üblichen Zwölferpack Zitronen-Cupcakes zu kaufen, sondern auch noch ein paar Schokoladen-Cheesecakes zu probieren. Sie hatte ein Talent dafür, den Kunden zuzuhören und sie in ein Gespräch zu verwickeln; ihr engelsgleiches Gesicht und die großen blauen Augen trugen sicherlich auch ihren Teil dazu bei, dass die Leute sofort Vertrauen zu ihr schöpften, wenn sie nur wollte. Wie kam es nur, dass sie mit Fremden so intuitiv und entspannt umgehen konnte, es aber im Privatleben nicht schaffte, andere an sich heranzulassen? Ihre angeregten Unterhaltungen mit Menschen, die sie wahrscheinlich nie wiedersehen würde, waren in
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