Das Bienenmaedchen
immer einen Kaffee und ein Glas Wasser bestellte. Sie benahm sich so, wie das Mädchen mit ihrem Decknamen es getan hätte: Sie wandte ruckartig den Kopf zur Seite, um ihm nicht in die Augen zu sehen, floh in die Küche und überlegte, was sie tun sollte. »Benimm dich einfach ganz normal«, sagte sie laut vor sich hin. Aber als sie sich wieder hinauswagte, war er schon gegangen und hatte ihr aberwitzig viel Trinkgeld hinterlassen.
»Hier, nimm du das«, sagte sie zu Marie. »Ich mag ihn nicht.«
Marie steckte das Geld flugs in ihr Portemonnaie.
Danach gab es lange Zeit keinerlei Anzeichen von André.
»In London halten sie nichts davon«, berichtete ihr Charles eines Nachmittags und zeigte ihr die Nachricht, die er decodiert hatte. »Nur, dass wir abwarten und beobachten müssen. Der Mann ist vermutlich ein Einzelgänger und nicht gefährlich.«
»Woher wissen sie das?«, wunderte sie sich laut.
»Vielleicht denkt Rafe das auch«, antwortete Charles mit einem Schulterzucken.
Aber Beatrice war nicht beruhigt.
Es war nicht leicht, den Frieden zwischen den unterschiedlichen Strömungen innerhalb der Bewegung zu bewahren. Einer aus der Gruppe in der Nähe von Périgueux hatte sich mit einer Putzfrau des großen Wachgebäudes bei der Brücke angefreundet, und sie hatte nützliche Einzelheiten zu den nächtlichen Patrouillen herausgefunden. Die anderen Mitglieder der Gruppe brannten darauf, endlich loszulegen, aber Rafe versuchte, sie davon zu überzeugen, dass es besser sei, noch zu warten. Der weiter gefasste Zeitplan durfte nicht gefährdet werden. Die Atmosphäre bei den Versammlungen war aufgrund der Streitereien sehr angespannt, und manchmal nahm Beatrice, die spürte, dass ihre Anwesenheit nicht wichtig war, nicht daran teil, sondern schlich sie sich fort in ihr Zimmer. Doch die polternden Stimmen unter ihr rissen sie immer wieder aus dem Schlaf. Einmal gab es einen Knall wie von einem umstürzenden Stuhl.
Ihre Träume waren voller Sorgen. Häufig hatte sie ihren alten Albtraum: Sie versuchte zu rennen und kam doch nicht von der Stelle. Manchmal mühte sie sich ab, Rafe zu retten, manchmal ihr Kind, manchmal nur sich selbst.
Aber es gab auch ruhigere Abende, wenn alle fünf – die Girands, Rafe, Charles und sie – zusammen in der Küche saßen und sich unterhielten, nachdem der Tisch abgeräumt war. Oder sie setzten sich ins Wohnzimmer, wo es stickig war, weil sie die Fenster geschlossen halten mussten, schalteten das Radio ein und versuchten, die BBC zu empfangen.
Endlich kam die Botschaft, die sie erwartet hatten. »Antonius soll morgen Nacht Kleopatra treffen«, sagte der Sprecher. Stefan fuhr mit einem zweiten Mann zu dem Feld, wo Beatrice gelandet war, um eine weitere Kiste aufzunehmen. Dieser Einsatz verlief ohne Zwischenfall. Am nächsten Tag wurde Beatrice mit ihrem Fahrrad aufs Land geschickt. Sie sollte die maquisards über die Ankunft der Kiste informieren, deren Inhalt weitertransportiert worden war.
Die Tage wurden heißer, und die Luft war stickig und schwül. In der Ferne grollte Donner, die Spannung in der Luft war spürbar. Es war unmöglich zu schlafen, und Beatrice hatte ständig leichtes Kopfweh.
In einer heißen Nacht lag sie ruhelos auf ihrem Bett. Vor das geöffnete Fenster war ein Netz gespannt, um die Insekten fernzuhalten. Der Mond allerdings ließ sich nicht fernhalten. Er schien durch die Spalten in den Fensterläden auf einen Gecko, der regungslos und auseinandergespreizt an der entgegengesetzten Zimmerwand hing. Irgendein kleines Tier scharrte auf dem Dachboden über ihr. Sie lauschte, wie es sich trippelnd über ihrer Decke fortbewegte, und hörte deshalb die Schritte draußen auf dem Treppenabsatz nicht. Doch dann klopfte jemand leicht gegen die Tür, und sie setzte sich auf. Ihr Herz pochte wild vor Angst.
Die Klinke ging nach unten, und die Tür schwang auf.
»Bea?« Rafe trat leise ins Zimmer. Das Mondlicht fiel in Streifen auf seine geschmeidige Gestalt in dem langen Nachthemd. Lautlos zog er die Tür hinter sich zu.
»Rafe! Ist was passiert?«
»Nein. Tut mir leid, wenn ich dir Angst eingejagt habe. Ich konnte nicht schlafen.«
»Ich auch nicht. Es ist zu heiß.«
»Ich bin aufgestanden, um etwas Wasser zu trinken. Dann hab ich gedacht … also … ich sollte nachsehen, ob es dir gut geht. Es ist schwül, findest du nicht?« Seine Stimme klang heiser, und sie hörte ihn schlucken.
»Komm her«, flüsterte sie.
Und er kam und kniete sich vor ihrem Bett auf
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