Das Bienenmaedchen
Hüften, um, als wende er sich einem Publikum zu.
Dann kamen die anderen. Der jüngere Bursche mühte sich aus den Kleidern und Sandalen. Der ältere war blond und kräftig, dieser dagegen dunkelhaarig und dünn. Nun rannte auch er und hinterließ seine eigenen, leichteren Fußabdrücke im Sand, stets darauf bedacht, den festeren seines Bruders auszuweichen. Als Nächstes erschien ein stämmiges, braunhaariges Mädchen von sechs oder sieben Jahren in einem Badeanzug. Es sprang von einer Düne, fiel hin, rappelte sich auf und rief vergeblich den Jungen zu, dass sie warten sollten. Dann lief es zum Strand hinunter und den beiden hinterher. Schließlich tauchte das ältere Mädchen auf, das einen Sonnenhut aus Stroh in der Hand hielt. Seine Bewegungen waren verträumt und gelassen. Das lange goldene Haar bauschte sich hinter ihm auf wie bei einer jener Heldinnen aus tausend Legenden, und Beatrice, die wie gebannt hinsah, hielt den Atem an. Mit selbstvergessener Anmut suchte sich das Mädchen barfuß seinen Weg über die grasbewachsenen kleinen Hügel. Sein Weg zum Meer hinunter war gewunden, denn immer wieder blieb es stehen, um sein Haar zurückzustreichen, Muschelschalen aufzuheben oder sich einfach im Wind im Kreis zu drehen. Beatrice sah verwundert zu und hatte das Gefühl, sie hätte noch nie solch ein zauberhaftes Geschöpf gesehen. Als das goldene Mädchen den Rand des Wassers erreichte, wo das kleinste Kind herumwatete, knotete es den Rock seines Kleides hoch, bevor es im seichten Gewässerteil planschte. Es winkte den Jungen zu, die schon weit draußen in der Brandung umhertollten.
»Edward! Peter!« Ihre Rufe wurden vom Wind zu Beatrice getragen, prallten von den Klippen ab und hallten wider. »Mummy hat gesagt …«
Beatrice konnte nicht verstehen, was Mummy gesagt hatte, konnte sich aber vorstellen, dass es darum ging, nicht zu weit hinauszuschwimmen. Doch die Jungen tauchten wie Delfine unter den Wellen hindurch und strampelten im Wasser, um sich gegenseitig zu bespritzen. Sie ignorierten ihre Schwester, die es nach einer kurzen Weile aufgab und stattdessen dem kleineren Mädchen half, mit Treibholz Bilder in den Sand zu zeichnen. Beatrice wandte sich wieder ihrem Tümpel zu und konzentrierte sich darauf, eine blutfarbene Anemone von einem Felsen abzubrechen.
»Hallo!«
Als sie aufschaute, sah sie, dass das goldene Mädchen auf sie zukam; es leuchtete vor Lebendigkeit, und das Haar flog in alle Richtungen. Beatrice stand auf, streifte Sand von ihren Shorts und wartete darauf, dass das Mädchen die Felsen erreichte.
»Was machst du da?«, rief das Mädchen, stellte einen nackten Fuß auf den niedrigsten Felsen und reckte den Hals, um besser zu sehen. »Autsch! Kann ich rüberkommen?«
Beatrice sah auf ihre eigenen Füße, die vernünftigerweise in Sandalen steckten, und antwortete skeptisch: »Wenn du möchtest.«
Das goldene Mädchen, das sich auf seinen schmerzhaften Weg über die mit Entenmuscheln besetzten Felsen machte, war wie die Meerjungfrau in der Geschichte, die Beatrice oft las: Die Nixe hatte zwar menschliche Beine, aber sie war dazu verdammt, dass es sich anfühlte, als würde sie auf Messern gehen.
»Oh, du hast eine A-ne-mo-ne!«, rief das Mädchen, als es Beatrice erreichte und in den Tümpel spähte. »Ich liebe A-ne-mo-nen! Ihre Münder sind wie die von Leuten, wenn sie dich küssen.«
Beatrice starrte das Mädchen erstaunt an. Sie dachte über die flüchtigen Talkumpuder-Küsse nach, die ihre englische Großmutter ihr gab, und an die Schmatzer von ihren französischen Verwandten und kam zu dem Schluss, dass ihre Münder ganz und gar nicht wie Anemonen waren. Am meisten hasste sie es, wenn ihr Leute in die Wangen kniffen – als ob sie prüften, ob sie fett genug war, um gegessen zu werden. Sie nahm an, dass sie sie enttäuschend finden mussten.
»Wie heißt du?«, fragte das Mädchen.
»Beatrice«, antwortete Beatrice, die ihren Namen englisch aussprach. »Und du?«
»Angie«, sagte das Mädchen und fuhr mit ihrem ungezwungenen Plaudern fort. »Ich muss A-ne-mo-ne langsam sagen, weil ich sie fast immer Anenomen nenne. Das ist Griechisch. Mummy heißt Oenone, und das ist auch Griechisch. Manche Leute wissen nicht, dass man ›In-oni‹ sagt, weil es sich so komisch schreibt.« Angie lachte mit offenem und unbeschwertem Gesicht. »Edward – er ist der Größte – lernt Griechisch in der Schule, deshalb spricht er die Wörter richtig aus. Ich wünschte, er würde mich nicht
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