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Das Bienenmaedchen

Das Bienenmaedchen

Titel: Das Bienenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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dass sie sich im Umgang mit den anderen scheu und ungeschickt verhielt. Sie verdiente sich allerdings den Ruf, gut bei Mutproben zu sein. Wenn es eine Wand zu erklimmen oder Wagenräder umzudrehen galt, dann versuchte sie das mit größerer Anstrengung als alle anderen. Und so gehörte es nach einer Weile regelmäßig zur Unterhaltung, Beatrice dazu zu bringen, irgendetwas Aufregendes zu vollführen. Das tat sie dann auch mit verbissenem Gesicht, aber es machte ihr keinen Spaß. Deshalb zog sie es manchmal vor, Angie nicht zu begleiten, selbst wenn sie ausdrücklich eingeladen war.
    So war es auch an einem Nachmittag im Juni 1937, als Beatrice fünfzehn war. Sie blieb in Carlyon zurück und saß lesend auf der Terrasse, gestärkt durch kleine Schlucke von der trüben Limonade, die die Köchin selbst zubereitet hatte. Irgendwann hörte Beatrice, wie vor dem Haus ein Auto anhielt. Waren sie schon so früh zurück? Mrs Wincanton hatte Angie bei Nachbarn abgesetzt, die ein Fest gaben, und war dann nach Truro weitergefahren, um neue Schuhe für Hetty zu kaufen. Anschließend wollte sie sich mit Freundinnen zum Tee zu treffen.
    Beatrice hörte Stimmen – die des Dienstmädchens Brown und eine tiefere, männlichere –, und dann trat ein Mann durch die Terrassentür. Er trug einen kamelhaarfarbenen Anzug und glänzende braune Budapester Schuhe. Es war Angies Vater. Beatrice schreckte hoch und presste ihr Buch an die Brust.
    »Beatrice, hallo! Man hat mir gesagt, dass du die Einzige bist, die zu Hause ist. Nein, nein, bleib sitzen. Haben sie meine Nachricht nicht bekommen, diese Nichtsnutze?«
    »Niemand hat etwas von einer Nachricht gesagt. Wirklich, ich bin sicher, dass sie Sie nicht erwartet haben. Angie hätte Sie um keinen Preis verpassen wollen.«
    »Nein, hätte sie natürlich nicht.« Er ließ sich auf einem Stuhl in ihrer Nähe nieder, zog eine Pfeife aus seiner Jacke, blies durch sie hindurch und füllte sie mit Tabak, den er dann mit dem Daumen in den Pfeifenkopf stopfte. Er war ein großer, muskulöser Mann Anfang vierzig mit einem schön geschnittenen, glatt rasierten Gesicht und sandfarbenem Haar. Sie beobachtete ihn, wie er die Pfeife anzündete und dann das Streichholz löschte. Jede seiner Bewegungen strahlte Männlichkeit aus, Kraft und Bestimmtheit. Er betrachtete sie nachdenklich durch einen Rauchkringel. Beatrice legte die Beine übereinander und fühlte sich befangen.
    »Ich hatte gerade nicht allzu viel zu tun und hab mir gedacht, warum soll ich nicht für ein paar Tage runterfahren. Geht es allen gut?«
    Beatrice hatte den ehrenwerten Michael Wincanton, Abgeordneter des Parlaments, inzwischen mehrmals getroffen, und er war immer recht höflich und herzlich zu ihr gewesen. Normalerweise blieb sie im Hintergrund – sie wusste, dass er in Wirklichkeit kam, um seine Familie zu sehen. Nun war sie zum ersten Mal allein mit ihm. Verzweifelt suchte sie nach Gesprächsthemen, was dieser oder jener gemacht hatte – und wurde immer nervöser, weil sie Angst hatte, ihn zu langweilen.
    »Wie geht es deinem Vater?«, erkundigte er sich.
    Sie war gerührt, dass sich Mr Wincanton an ihn erinnerte, und stammelte, er käme ganz gut zurecht. Die ganze Zeit über war sie sich bewusst, dass seine Augen auf ihr ruhten, und zwar mit einem leicht amüsierten Gesichtsausdruck. Sie gewöhnte sich langsam daran, dass Männer sie beachteten. Sie empfand das als schrecklich. Wenn sie morgens aufwachte, fühlte es sich manchmal an, als ob kleine Teile von ihr über Nacht gewachsen wären. Dieser Mann brachte sie dazu, sich ein bisschen unbehaglich zu fühlen, als ob ihr Rocksaum lose oder ihr Haar in Unordnung wäre. Sie wand sich unter seinem Blick.
    »Was ist das, was du da liest? Irgendwas Gutes?«, fragte er, aber als sie ihm den Roman zeigte, war er nicht sehr daran interessiert.
    »Sie sagten, Sie wären weniger beschäftigt gewesen«, sagte sie tapfer. »Tagt das Parlament noch?«
    »Nein, wir haben Parlamentsferien. Aber es gibt auch hier Aufgaben, um die ich mich kümmern muss. Es ist nicht gut für einen Abgeordneten des Parlaments, wenn er seinen Wahlkreis vernachlässigt, dann wird er nicht wiedergewählt. Nun, was glaubst du, wann wird meine Frau zurück sein?« Er erhob sich und schritt auf der Terrasse auf und ab.
    Beatrice war ziemlich erleichtert, als er verkündete, er würde nach oben gehen, um sich umzuziehen. Später, nachdem die anderen zurückgekehrt waren, bestand er darauf, dass sein eigener Fahrer sie

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