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Das Bienenmaedchen

Das Bienenmaedchen

Titel: Das Bienenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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nach Hause brachte. In dieser Nacht träumte sie von ihm: Er war groß, warm, männlich und hatte einen rauchigen Atem.
    Am nächsten Morgen rief Mrs Wincanton an und sagte, dass der Unterricht ausfiele. Und als Beatrice am folgenden Tag in Carlyon ankam, vibrierte alles vor nervöser Anspannung. Dann traf sie der Hieb.
    »Daddy bringt uns diesen Sommer nach Schottland!«, schrie Angie. »Wir werden in einem richtigen Schloss wohnen!«
    Bei weiterer Nachfrage stellte sich heraus, dass das Schloss Freunden der Wincantons gehörte: Lord und Lady Hamilton. Lady Hamilton – Tante Alice – war eine alte Schulfreundin von Oenone und Angies Patin. Sie würden den Juli und August dort oben verbringen. Das Personal in Carlyon sollte auf Kostgeld gesetzt werden. Mrs Pargeter allerdings hatte eingewilligt, bei den ein paar Meilen entfernt wohnenden betagten Eltern von Mrs Wincanton auszuhelfen, die kürzlich ihre Köchin verloren hatten. All diese Entscheidungen waren, wie es schien, im Handumdrehen getroffen worden. Bestürzt erkannte Beatrice, dass sie den Sommer über allein sein würde.
    Mehrere Wochen verstrichen, die einsamsten Wochen, die Beatrice je erlebte, denn sie hatte sich an die Gemeinschaft mit den anderen gewöhnt, und nun waren sie fort. Nach den ersten paar Tagen ohne Carlyon – ohne Angelina – wurde ihr der Alltag ihrer Eltern unerträglich. Wo auch immer im Haus sie sich aufhielt, war sie irgendjemandem im Weg. Und so gewöhnte sie sich an, mit Jinx lange Spaziergänge auf den Klippen oder zum Strand hinunter zu machen. Allmählich wurde Cornwall durch die Sommergäste immer belebter. Manchmal, bei Ebbe, nahm Beatrice den verbotenen Durchgang zur nächsten, weniger besuchten Bucht. Dort konnte sie sich ungestört den Gezeitentümpeln widmen. Sie stellte sich keine Seejungfrauen und Paläste mehr vor, sondern zeichnete wie eine gute Schülerin Fische und Vögel in ihr Skizzenbuch. An anderen Tagen, wenn es in der Sonne warm war, setzte sie sich hin und las einen Roman von dem Stapel, den Miss Simpkins ihr geliehen hatte. Wenn dann die Flut kam, trieb sie Jinx die schmalen Stufen hoch, die in die Klippe gehauen waren, und ging am Rand der Gärten von Carlyon entlang nach Hause.
    Ihre Mutter hatte sie dazu ermuntert, in einem Club weiter oben am Hügel Tennis zu spielen, und dort traf Beatrice auf eine Gruppe von Söhnen und Töchtern aus Familien, die Delphine durch ihre Wohltätigkeitsarbeit oder ihre französischen Konversationsstunden kennengelernt hatte. Sie waren freundlich, aber nicht so beeindruckend wie die Freunde der Wincantons. Sie luden Beatrice zum Picknick und zu Geburtstagsfeiern ein, aber sie fühlte sich nicht dazugehörig. Die Wincantons hatten sie für so etwas verdorben.
    Wenn das Wetter schlecht war, verkroch sich Beatrice zu Hause in ihrem Zimmer und las. Oder sie ordnete und etikettierte ihre Sammlung von Naturobjekten. Manchmal wurde sie nach unten zitiert, um ihren Vater zu unterhalten, indem sie mit ihm Schach spielte oder ihm vorlas. Abends saßen sie alle zusammen und lauschten den Nachrichten über die japanische Invasion in China. Delphine nähte, und Hugh Marlow spielte endlos Solitär, während in Beatrice Missmut und Einsamkeit brodelten. Und jedes Mal, wenn der Postbote kam, hoffte sie, dass etwas für sie dabei wäre. Manchmal gab es einen Brief oder eine Postkarte mit vielen Rechtschreibfehlern, aber voller Begeisterung von Angelina geschrieben und mit einem von Hetty gemalten Bild von einem Hirsch.
    Beatrice fühlte sich leer und von einer quälenden Sehnsucht ergriffen. Es gab einen freien Raum, den es auszufüllen galt.
    Und dann tauchte Rafe auf.
    Ende Juli kamen mehr Besucher nach Saint Florian, obwohl der Ort, weil er versteckt lag und seine Strände klein waren, keine großen Menschenmassen anlockte. Dennoch ging es in Saint Florian geschäftiger zu als üblich. Bei Ebbe jagten kleine Kinder Krabben in den Gezeitentümpeln, die fröhlichen Segel der Boote glitten über das Meer, und der italienische Eismann stellte am Kai seinen Karren auf.
    An einem besonders heißen, stillen Nachmittag machte Beatrice mit Jinx einen Spaziergang am Strand, weil es am Wasser kühler war. Delphine, die über Kopfschmerzen klagte, hatte sich hingelegt. Hugh Marlow spielte Bridge bei Colonel Brooker, eine neue Entwicklung, durch die »er sich zumindest für irgendwas interessiert«, wie seine Frau es ausdrückte. Beatrice stellte sich Männer mittleren Alters vor, die rund um einen

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