Das Bild
seine Rippen und Eingeweide pochten, nachdem Dirty Gertie mit ihren rund dreihundert Pfund auf
ihm gehockt hatte … aber mit alledem hätte er leben können - und
mit noch mehr. Ihre Nässe und ihr Geruch, nicht nur Urin, sondern der Urin einer Frau, waren der Grund dafür, daß er den Eindruck hatte, als würde sein Verstand sich jedesmal aufbäumen,
wenn er daran zurückdachte. Wenn er sich vorstellte, was sie getan
hatte, wollte er schreien, und die Welt - mit der er unter allen
Umständen in Verbindung bleiben mußte, wenn er nicht hinter
Gittern enden wollte, wahrscheinlich in eine Zwangsjacke geschnürt und mit Thorazin vollgepumpt - wurde verschwommen.
Als er an dem Zaun entlangstolperte, dachte er: Schnapp sie
dir, schnapp sie dir, du mußt umkehren und sie dir schnappen, sie dir schnappen und töten für das, was sie getan hat,
nur so wirst du je wieder schlafen können, nur so wirst du je
wieder denken können.
Aber ein Teil von ihm wußte es besser, und daher schnappte er sie
sich nicht, sondern lief weg.
Dirty Gertie dachte wahrscheinlich, daß ihn die Leute vertrieben
hatten, die sich dem Schauplatz näherten, aber das stimmte nicht.
Er lief weg, weil seine Rippen so sehr schmerzten, daß er nur flach
atmen konnte, jedenfalls im Moment, sein Bauch wehtat und in seinen Hoden jener tiefe, verzweifelte Schmerz pochte, den nur Männer kannten.
Aber die Schmerzen waren nicht der einzige Grund für seine
Flucht - auch das, was die Schmerzen bedeuteten. Er hatte Angst,
daß Dirty Gertie mehr als nur ein Unentschieden erzielen könnte,
wenn er sich wieder mit ihr einließ. Darum floh er, lief so schnell er
konnte an dem Bretterzaun entlang, und die Stimme von Dirty
Gertie verfolgte ihn wie ein spöttischer Geist: Sie läßt dir über meine Nieren eine kleine Nachricht von ihren Nieren überbringen … eine kleine Nachricht, Normie … hier kommt
sie…
Dann kam einer dieser Aussetzer, ein kurzer, der Stein seines
Verstands traf auf die flache Oberfläche der Wirklichkeit, prallte ab
und flog wieder davon, und als er wieder zu sich kam, war eine
kurze Zeitspanne
- vielleicht nur fünfzehn Sekunden, vielleicht
auch fünfundvierzig - verstrichen. Er lief den Hauptweg Richtung
Freizeitpark entlang, lief so hirnlos wie eine Kuh bei einer Stampede, lief sage und schreibe von den Ausgängen des Parks weg, statt darauf zu, lief Richtung Pier, lief Richtung See, wo es ein Kinderspiel wäre, ihn in die Enge zu treiben und zu schnappen.
Derweil kreischte in seinem Kopf die Stimme seines Vaters, des
Weltklasse-Pimmelgrabschers (und bei mindestens einem denkwürdigen Jagdausflug auch Weltklasse-Schwanzlutschers). Sie war
eine Frau! kreischte Ray Daniels. Wie hast du dir nur von einer
Fotze dermaßen die Fresse polieren lassen können?
Er verdrängte diese Stimme aus seinem Denken. Der Alte hatte
ihn zu Lebzeiten genügend angebrüllt: der Teufel sollte Norman
holen, wenn er sich jetzt, wo der Alte tot war, denselben Mist wieder anhören würde. Er konnte es Gertie zeigen, er konnte es Rose
zeigen, er konnte es allen zeigen… aber damit er das konnte, mußte
er erst mal hier weg … und zwar bevor jeder Wachmann im Park
nach dem Kahlkopf mit dem blutigen Gesicht Ausschau hielt. Auch
so gafften ihn schon zu viele Leute an, warum auch nicht? Er stank
nach Pisse und sah aus, als wäre er von einem Berglöwen angefallen worden.
Er bog in eine Gasse ein, die zwischen der Videospielhalle und
der Südsee-Abenteuerfahrt hindurch führte, ohne einen Plan zu
haben, nur fort von den Gaffern und dem Hauptweg, und da zog er
das große Los.
Die Seitentür der Videospielhalle ging auf, und jemand, den
Norman für ein Kind hielt, kam heraus. Es mit Sicherheit zu sagen
war unmöglich. Er hatte die Größe eines Kinds und war angezogen
wie ein Kind - Jeans, Reeboks, T-Shirt von Michael McDermott
(ICH LIEBE EIN MÄDCHEN NAMENS REGEN, stand darauf,
was immer zum Teufel das heißen sollte) -, aber sein ganzer Kopf
war unter einer Latexmaske verborgen. Ferdinand, der Stier. Ferdinand hatte ein breites, dümmliches Grinsen im Gesicht. Seine Hörner waren mit Blumengirlanden geschmückt. Norman zögerte
keine Sekunde, er streckte einfach die Hand aus und riß dem Jungen
die Maske vom Kopf. Er erwischte auch eine gute Handvoll Haar,
aber das war ihm scheißegal.
»He!« schrie der Junge. Ohne Maske sah er wie ein Elfjähriger
aus. Aber er hörte sich mehr erbost als ängstlich an. »Geben Sie mir
die wieder, sie gehört mir, ich habe sie
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