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Das Bild

Das Bild

Titel: Das Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Rest«, sagte Norman und fuhr los.
Er war einen halben Block weit gekommen, als er an den
Straßenrand fuhr, weil ihm klar wurde, wenn er diese gottverdammte Maske nicht auf der Stelle vom Kopf bekam, würde er alles
noch viel schlimmer machen, indem er hineinkotzte. Er zog daran,
zerrte mit den hektischen Fingern eines Mannes daran, dem klar
geworden ist, daß er einen Blutegel am Gesicht haften hat, und
dann war wieder eine Weile alles weg, er hatte einen weiteren Aussetzer, und sein Verstand schoß von der Oberfläche der Wirklichkeitfort wie ein Marschflugkörper.
Als er diesmal wieder zu sich kam, saß er mit entblößter Brust an
einer roten Ampel am Steuer. An der gegenüberliegenden Straßenecke zeigte eine Uhr die Zeit an: 14:07. Er sah sich um und
erblickte sein Hemd auf dem Boden, zusammen mit dem Rückspiegel und der gestohlenen Maske. Dirty Ferdie, der abgeschlafft und
seltsam verzerrt aussah, sah mit leeren Augen, durch die Norman
die Fußbodenmatte auf der Beifahrerseite erkennen konnte, zu ihm
auf. Das glückliche, dümmliche Lächeln des Stiers war zu einer Art
wissendem Grinsen geworden. Aber das machte nichts. Wenigstens hatte er das verdammte Ding nicht mehr auf dem Kopf. Er
schaltete das Radio ein, das immer noch auf den Oldie-Sender eingestellt war, und Tommy James & The Shondells sangen »Hanky
Panky.« Norman sang sofort mit.
Auf der Spur neben ihm saß ein Mann, der wie ein Buchhalter
aussah, am Steuer eines Camry und beobachtete Norman mit verhaltener Neugier. Zuerst begriff Norman nicht, was der Mann so
interessant fand, aber dann fiel ihm ein, daß er Blut im Gesicht
hatte - inzwischen weitgehend getrocknet, wie es sich anfühlte.
Und natürlich hatte er das Hemd ausgezogen. Er mußte etwas
unternehmen, und zwar bald. In der Zwischenzeit…
Er bückte sich, hob die Maske auf, schob eine Hand hinein und
ergriff die Gummilippen mit den Fingerspitzen. Dann hielt er sie
ans Fenster hoch, bewegte den Mund zu dem Song und ließ Ferdinand mit Tommy James und den Shondells singen. Er bewegte das
Handgelenk vor und zurück, so daß Ferdinand sich auch noch im
Rhythmus zu wiegen schien. Der Mann, der wie ein Buchhalter
aussah, sah hastig wieder geradeaus. Blieb einen Moment reglos
sitzen. Dann beugte er sich zur Seite und drückte die Verriegelung
der Beifahrertür herunter.
Norman grinste.
Er warf die Maske wieder auf den Boden und wischte sich die
Hand, die darin gewesen war, an der nackten Brust ab. Er wußte,
wie unheimlich er aussehen mußte, wie ein Irrer, aber der Teufel
sollte ihn holen, wenn er das vollgepißte Hemd wieder anzöge. Die
Motorradjacke lag neben ihm auf dem Sitz, und die war innen
wenigstens trocken. Norman schlüpfte hinein und zog den Reißverschluß bis zum Kinn hoch. Wahrend er damit beschäftigt war,
wurde die Ampel grün, und der Camry neben ihm fegte über die
Kreuzung wie aus einer Kanone geschossen. Norman fuhr ebenfalls
an, aber gemächlicher, und sang mit dem Radio: »I saw her walkin
on down the line… You know I saw herfor the veryfirst time …A
pretty little girl, standin’ all alone … Hey, pretty baby, can I take
you home?« Dabei mußte er an die High School denken. Damals
war das Leben noch gut gewesen. Keine süße kleine Rose, die alles
versaute und all diesen Ärger verursachte.
Wo bist du, Rose? dachte er. Warum warst du nicht bei dem
Nuttenpicknick? Verdammt noch mal, wo steckst du?
»Sie ist bei ihrem eigenen Picknick«, flüsterte el Tom, und
seine Stimme hatte etwas Fremdes und Wissendes - als würde er
es nicht als Spekulation sagen, sondern mit dem schlichten,
unbestreitbaren “Wissen eines Orakels.
Normanfuhr an den Bordstein, ohne das Schild PARKEN
VERBOTEN - LADEZONE zu beachten, und riß die Maske
wieder vom Boden hoch. Schob sie wieder über seine Hand.
Aber diesmal drehte er sie zu sich selbst. Er konnte seine Finger
in den leeren Augenhöhlen erkennen, aber die Augenhöhlen
schienen ihn trotzdem anzusehen.
»Was meinst du damit, bei ihrem eigenen Picknick?« fragte
er heiser.
Er bewegte die Finger und damit den Mund des Stiers. Er
konnte sie nicht spüren, aber er konnte sie sehen. Er ging davon
aus, dass die Stimme, die er hörte, seine eigene Stimme war,
aber sie klang nicht wie seine Stimme und schien auch nicht aus
seiner Kehle zu kommen; sie schien ihren Ursprung zwischen
diesen grinsenden Gummilippen zu haben.
»Ihr gefällt, wie er sie küßt«, sagte Ferdinand. »Kannst du dir
das vorstellen? Und ihr gefällt,

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