Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Bild

Das Bild

Titel: Das Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
schwenkte,
wo Rose und der Schwanzlutscherfreund standen, hörte er, wie eine
Tür zugeschlagen wurde. Das Miststück hatte es doch in ihr Zimmer geschafft.
    Im Augenblick jedoch war selbst das zweitrangig. Sein Kiefer
hatte die Nase als Mittelpunkt der Schmerzen abgelöst, so wie die
Nase vorher das Knie und die schmerzenden Hoden abgelöst hatte.
Was hatte sie ihm angetan? Die untere Hälfte seines Gesichts
fühlte sich nicht nur an, als wäre sie aufgerissen, sondern als wäre
sie irgendwie gedehnt; seine Zähne schienen Satelliten zu sein, die
irgendwo vor seiner Nasenspitze schwebten.
    Mach dich nicht lächerlich, Normie, flüsterte sein Vater. Sie
hat dir den Kiefer ausgerenkt, das ist alles. Du weißt, was
dagegen zu tun ist, also tu es!
    »Hält’s Maul, du alte Schwuchtel«, wollte Normern sagen, aber
mit seinem deformierten Gesicht brachte er nur Allaul u alluchl! zusammen. Er legte die Waffe weg, zog die Maske mit den Daumen
hoch (er hatte sie beim Aufsetzen nicht bis ganz nach unten gezogen, was die Sache einfacher machte), und dann drückte er behutsam die Handballen seitlich gegen seinen Unterkiefer. Es war, als
würde er Kugellager berühren, die aus ihren Sockeln gesprungen
waren.
    Er wappnete sich gegen die Schmerzen, glitt mit den Händen
weiter nach unten, hielt sie schräg und drückte ruckartig nach
oben. Er verspürte Schmerzen, o ja, aber hauptsächlich, weil
zunächst nur eine Seite seines Kiefers wieder einrastete. Nun stand
seine untere Gesichtshälfte schief, wie eine Kommodenschublade,
die nicht richtig in der Führungsschiene sitzt.
    Wenn du dein Gesicht lange so verziehst, Norman, bleibt
es für immer so stehen! fauchte seine Mutter ihn an, verspritzte
ihr Gift, an das er sich so gut erinnern konnte.
    Norman drückte noch einmal die rechte Seite seines Gesichts
nach oben. Diesmal hörte er ein Klicken tief in seinem Kopf, als
auch das rechte Kiefergelenk wieder einrastete. Der ganze Kiefer
schien trotzdem auf merkwürdige Weise locker zu sein, als wären
die Sehnen überdehnt worden und brauchten eine Weile, sich wieder zu spannen. Er hatte das groteske Gefühl, daß sein Unterkiefer
beim Gähnen bis zum Gürtel hinunterklappen würde.
    Die Maske, Normie,/l’wsferfe sein Vater. Die Maske wird dir
helfen, wenn du sie ganz runter ziehst.
»Ganz recht«, sagte der Stier. Seine Stimme klang gedämpft,
weil er so zerknautscht auf Normans Kopf saß, aber Norman
konnte ihn trotzdem mühelos verstehen.
Er zog sie behutsam herunter, ganz herunter, bis er den Saum
direkt unter dem Kiefer spürte, und das half tatsächlich; die Maske
schien seinen lockeren Kiefer wie ein Suspensorium zu halten.
»Genau«, sagte el Toro. »Du kannst mich einfach als Kiefergurt
betrachten.«
Norman atmete tief durch, als er aufstand und dabei die .^er des
Cops in den Hosenbund steckte. Alles paletti, dachte er. Hier drin
sind nur die Jungs; Zutritt für Schnallen verboten. Jetzt kam es
ihm so vor, als könnte er durch die Schlitze der Maske sogar besser
sehen, als wäre seine Sehkraft verstärkt worden. Zweifellos nur
Einbildung, aber er empfand es tatsächlich so, und es war ein gutes
Gefühl. Stärkte das Selbstvertrauen.
Er drückte sich an die Wand, dann stürmte er vorwärts und warf
sich gegen die Tür, durch die sie und ihr Schwanzlutscherfreund
gegangen waren. Sein Kiefer wackelte selbst in der engen Hülle der
Maske schmerzhaft, aber er warf sich trotzdem, ohne zu zögern und
mit derselben Wucht, noch einmal gegen die Tür. Die Tür erbebte
im Rahmen, und ein langer Splitter brach aus dem oberen Paneel
heraus.
Plötzlich wünschte er sich, Harley Bissington wäre hier. Zusammen hätten sie die Tür im ersten Anlauf geschafft, und er hätte
Harley erlauben können, es Rose zu besorgen, während er selbst
sich um ihren freund kümmerte. Es Rose zu besorgen war einer der
großen unterdrückten Wünsche in Harleys Leben gewesen, was
Norman zwar nicht verstand, aber trotzdem jedesmal, wenn Harley sie besuchen kam, an seinem Gesicht hatte ablesen können.
Er warf sich wieder gegen die Tür.
Beim sechsten Versuch - vielleicht war es auch die glückliche
Sieben, er war sich nicht ganz sicher - wurde Norman in das Zimmer katapultiert. Sie waren hier drinnen, alle beide, mußten hier
drinnen sein, aber im Augenblick konnte er niemand sehen.
Schweiß lief ihm in die Augen, seine Sicht verschwamm einen
Moment. Das Zimmer schien menschenleer zu sein, aber das war
unmöglich. Zum Fenster waren sie nicht hinaus’, das

Weitere Kostenlose Bücher