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Das Bild

Das Bild

Titel: Das Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ihm den Schritt wahrscheinlich ziemlich fest an den
Arsch gepreßt. Sie ist ihr zu groß, dachte er. Er hat sie ihr geliehen. Der Gedanke trieb ihn zur Weißglut, und er spuckte auf die
Jacke, bevor er sie auch zur Seite warf, auf die Füße sprang und sich
wild umsah.
»Du Miststück!« murmelte er. »Du dreckiges, betrügerisches
    Miststück!«
»Norman!« Der Ruferklang aus der Dunkelheit; einen Augen
blick stockte ihm der Atem in der Kehle.
Nahe, dachte er. Ach du Scheiße, sie ist ganz nahe. Ich
glaube, sie ist in dem Gebäude da unten.
Er stand mucksmäuschenstill und wartete, ob sie noch mal rufen
würde. Nach einem Augenblick wurde sein Warten belohnt. »Norman, ich bin hier unten!«
Er griff wieder mit den Händen an die Maske, aber diesmal zog
er nicht daran; er liebkoste sie. »Viva el Tor o«, sagte Norman und
ging den Hügel hinab auf die Ruine zu. Er glaubte, daß er Spuren
sehen konnte, die dorthin führten -jedenfalls Flecken umgeknickten Grases, die von Füßen herrühren konnten -, aber in dem Mondschein konnte man es nicht mit Sicherheit sagen.
Als wollte sie seine Vermutung bestätigen, ertönte ihr spöttischer Schrei, der ihn wahnsinnig machte, erneut: »Hiiiiier uuuuuu-huunten, Norman!« Als hätte sie gar keine Angst vor ihm;
als könnte sie es kaum erwarten, daß er zu ihr kam. Miststück!
»Bleib, wo du bist, Rose«, sagte er. »Rühr dich nicht von der
Stelle, das ist die Hauptsache.« Er hatte die Waffe des Cops noch im
Hosenbund stecken, aber sie spielte keine nennenswerte Rolle in
seinen Plänen. Er wußte nicht, ob er in einer Halluzination eine
Schußwaffe abfeuern konnte, und er verspürte nicht den geringsten Wunsch, es herauszufinden. Er wollte ein viel persönlicheres
Gespräch mit seiner kleinen Rambling Rose fuhren, als es eine
Schußwaffe zuließ.
»Norman, du siehst so albern mit dieser Maske aus … Ich
hab keine Angst mehr vor dir, Norman …« Du wirst feststellen, daß das nur vorübergehend ist, du Miststück, dachte
er.
»Norman, du Idiot!«
Na gut, vielleicht war sie nicht in dem Gebäude; vielleicht ist sie
schon auf der anderen Seite wieder rausgegangen. Spielte keine
Rolle. Wenn sie dachte, sie könnte ihm auf einem normalen Spielfeld davonlaufen, würde sie die Überraschung ihres Lebens erleben.
Die letzte Überraschung ihres Lebens.
»Du bist so ein Dummkopf … hast du wirklich geglaubt,
du könntest mich erwischen? Dummer alter Stier!«
Er ging ein Stück nach rechts und versuchte, leise zu sein, weil
er sich sagte, daß es nicht nützen würde, wenn er sich wie ein, haha, Stier im Porzellanladen aufführte. Er blieb am Fuß der rissigen
Treppe stehen, die zu dem Tempel führte (genau darum handelte es
sich, sah er jetzt, ein Tempel wie in diesem griechischen Märchen,
die die Burschen sich damals ausgedacht hatten, wenn sie nicht zu
sehr damit beschäftigt waren, sich gegenseitig am Arsch rumzumachen, und betrachtete ihn. Das Gebäude war eindeutig verlassen
und dem Verfall anheimgegeben, aber dieser Ort kam ihm nicht
unheimlich vor, sondern auf seltsame Weise vertraut.
»Norrr-mannnn … willst du nicht mit mir reeeeden?« »Oh, ich werde mit dir reden«, sagte er. »Ich werde mit dir
reden - aus der Nähe, du Fotze.« Er sah etwas in dem hohen verfilzten Gras rechts von der Treppe: ein großes Gesicht aus Stein im
Unkraut, das gebannt in den Himmel starrte. Mit fünf Schritten
war Norman dort und starrte es zehn Sekunden oder länger an,
weil er ganz sicher sein wollte, daß er tatsächlich sah, was er zu
sehen glaubte. Er sah es. Der riesige, umgestürzte Kopf hatte das
Gesicht seines Vaters, und seine leeren Augen funkelten irre im
Mondschein.
»Buh, du alter Hurensohn«, sagte er leise. »Was machst
du denn hier?«
Sein Vater aus Stein gab keine Antwort, dafür aber seine
Frau.
»Norrr-mannnn! Du bist so beschissen LANGSAAAM,
Norrr-mannn!«
Eine schöne Ausdrucksweise haben sie ihr beigebracht,
bemerkte der Stier, aber jetzt gab er seine Kommentare in Normans
Kopf von sich. Tolle Leute, mit denen sie sich da eingelassen
hat, zweifellos - sie haben ihr ganzes Leben verändert. »Miststück«, sagte er mit belegter, bebender Stimme. »Oh, du
Miststück.«
Er wandte sich von dem Steingesicht im Gras ab und widerstand
dem Drang, sich noch einmal umzudrehen und darauf zu spucken,
wie auf die Jacke… oder den Reißverschluß der Jeans aufzumachen
und darauf zu pissen. Jetzt war keine Zeit für Spielchen. Er hastete
die rissigen Stufen hinauf zum

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