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Das Bild

Das Bild

Titel: Das Bild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Der Rest der Welt war verschwunden, als
wären sie beide auf einer Bühne, wo sämtliche Lichter
gelöscht worden waren bis auf einen einzigen, grellen Spot.
»Machen Sie sich nicht über mich lustig«, sagte sie. Ihre
Stimme zitterte. »Bitte, machen Sie sich nicht über mich
lustig. Das könnte ich nicht ertragen.«
»Nein, das würde ich nie tun.« Er sagte es, ohne nachzudenken, als wäre es etwas, über das kein weiteres Wort mehr
zu verlieren ist, Fall abgeschlossen. »Aber ich werde Ihnen
sagen, was ich sehe.« Er lächelte, streckte die Hand aus und
berührte ihre wieder. »Ich werde Ihnen immer sagen, was ich
sehe. Versprochen.«
Sie sagte ihm, er brauche sie nicht die Treppe hinauf zu
begleiten, aber er bestand darauf, und sie war froh darüber.
Als das Essen kam, hatte sich ihr Gespräch weniger persönlichen Dingen zugewandt
- er stellte zu seinem Entzücken
fest, daß ihre Anspielung auf Roger Clemens nicht nur so
dahergeredet gewesen war und sie einiges an Fan-Wissen
über Baseball besaß; sie hatten beim Essen eine Menge über
die Mannschaften der Stadt gesprochen und gingen von
Baseball ungezwungen zu Basketball über. Bis zur Fahrt
zurück hatte sie kaum einmal an Norman gedacht, doch da
stellte sie sich vor, was sie empfinden würde, wenn sie die
Tür aufmachte und er wäre da, in ihrem Zimmer, säße vielleicht mit einer Tasse Kaffee auf dem Bett und betrachtete ihr
Bild mit der Tempelruine und der Frau auf dem Hügel.
Als sie die schmale Treppe hinaufgingen, Rosie voraus,
Bill einen oder zwei Schritte hinter ihr, machte sie sich noch
wegen etwas anderem Gedanken: Wenn er ihr nun einen
Gutenachtkuß geben wollte? Und wenn er sie nach dem Kuß
fragte, ob er mit reinkommen konnte?
Na logisch wird er mit reinkommen wollen, sagte Norman mit
der übertrieben geduldigen Stimme zu ihr, die er stets
gebrauchte, wenn er versuchte, nicht wütend auf sie zu sein,
aber trotzdem wütend wurde. Er wird sogar darauf bestehen.
Weshalb sollte er sonst ein Essen für fünfzig Dollar springen lassen? Herrgott, du solltest dich geschmeichelt fühlen - es gibt hübschere Schnallen als dich auf der Straße, und die bekommen nicht
mal fünfzig Dollar fürs volle Programm. Er wird mit reinkommen
wollen, und er wird dich ficken wollen, und vielleicht ist das gut so,
vielleicht muß es sein, damit du die Rosinen aus dem Kopf
bekommst.
Sie konnte den Schlüssel aus der Handtasche holen, ohne
ihn fallenzulassen, aber dann zitterte sie mit der Spitze um
den Schlitz in der Metallplatte des Schlosses herum, ohne ihn
zu treffen. Er legte seine Hand auf ihre und schob den Schlüssel ins Schloß. Als er sie berührte, spürte sie wieder den elekfrischen Schlag und konnte nicht anders, sie mußte daran
denken, was der Schlüssel, der ins Schloß glitt, ihr ins Gedächtnis rief.
Sie machte die Tür auf. Kein Norman, es sei denn, er hätte
sich in der Dusche oder im Schrank versteckt. Nur ihr hübsches Zimmer mit den beigen Wänden, dem Bild neben dem
Fenster und der Lampe über dem Spülbecken. Kein Zuhause,
noch nicht, aber besser als der Schlafsaal bei D & S.
»Nicht schlecht, wissen Sie«, sagte er nachdenklich. »Kein
Apartment in einem Vorort, aber wirklich nicht schlecht.«
»Möchten Sie reinkommen?« fragte sie mit vollkommen
tauben Lippen - als hätte ihr jemand eine Novokainspritze
verpaßt. »Ich könnte Ihnen eine Tasse Kaffee machen …«
Gut l rief Norman aus seiner Festung in ihrem Kopf heraus. Bringen wir es hinter uns, Süße, was l Du gibst ihm den Kaffee,
und er gibt dir die Sahne. Gutes Geschäft!
Bill schien sehr gründlich darüber nachzudenken, ehe er
den Kopf schüttelte. »Das wäre vielleicht keine so gute Idee«,
sagte er. »Jedenfalls nicht heute abend. Ich glaube, Sie haben
nicht die geringste Ahnung, wie Sie auf mich wirken.« Er
lachte ein bißchen nervös. »Ich glaube, ich habe nicht die
geringste Ahnung, wie Sie auf mich wirken.« Er schaute über
ihre Schulter und sah etwas, worauf er lächelte und ihr beide
nach oben gestreckte Daumen zeigte. »Mit dem Bild haben
Sie recht gehabt - damals hätte ich es nicht geglaubt, aber es
ist so. Ich nehme an, Sie haben dabei schon dieses Zimmer
vor Augen gehabt, hm?«
Sie schüttelte den Kopf und lächelte ebenfalls. »Als ich das
Bild gekauft habe, wußte ich noch gar nicht, daß dieses Zimmer existiert.«
»Dann müssen Sie eine Hellseherin sein. Ich wette, wo Sie
es aufgehängt haben, sieht es am Spätnachmittag und Abend
besonders gut aus. Wenn die Sonne

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