Das Bildnis der Novizin
weil er die darin erzielten Effekte studieren und dann, so weit möglich, auf das Bild für die Bankiersgilde übertragen wollte. Er hatte nur noch zwei Tage, um mit dem Triptychon fertig zu werden. Es würde nicht gut werden, aber groß. Und mit ein bisschen Glück und dem Segen der Madonna würden die ungehobelten Kerle von der Gilde damit zufrieden sein.
Als an diesem Nachmittag die Glocken Nona einläuteten, saß Lucrezia wie immer auf ihrem Stuhl und nähte an einem Nachthemdchen für das Baby. Nicoletta saß ihr gegenüber am Tisch und aß eins der süßen Brötchen aus dem Korb, den Signora Valenti diese Woche geschickt hatte. Dabei erzählte sie fröhlich eine Geschichte über die Töchter des Hauses.
»Und die Enten haben sie zum Teich zurückgescheucht!«, lachte sie. In diesem Moment hörten sie laute, fast stampfende Schritte sich der Hütte nähern und ein schweres Schnaufen.
»Mach die Tür auf, Filippo!«, rief eine barsche Stimme.
Das kann nicht Cantansanti sein, dachte Lucrezia, rief aber dennoch seinen Namen.
»Das zieht nicht! Los, aufmachen!« Jemand rüttelte an der schweren Tür.
Lucrezia erhob sich, presste die Hände in ihren Rücken und watschelte voller Angst zur Tür. Sie öffnete.
Drei Männer standen draußen, zwei schwarz gekleidet, der dritte in Rot. Sie rochen nach Wein, Zwiebeln und einem Gewürz, das sie nicht einordnen konnte. Prompt drehte sich ihr der Magen um, und das Kind in ihrem Bauch begann zu strampeln.
»Wir kommen von der Bankiersgilde«, sagte der Kleinste, die Arme arrogant vor der Brust verschränkt. Er hatte einen dunklen Bart, in dem dennoch deutlich eine lange Narbe zu erkennen war, die sich über seine Wange bis zum Kinn zog. »Wo ist der Maler?«
»Er ist nicht da.« Lucrezia versuchte ruhig zu bleiben, doch die Männer wirkten sichtlich aggressiv. Sie merkte, wie ihr die Knie weich wurden, und musste sich an der Tür festhalten.
»Hol ihn her«, befahl der Größte. »Hol. Ihn. Her.«
»Nicoletta!«, rief Lucrezia in heller Panik. »Lauf und hol Fra Filippo!«
Das Hausmädchen sprang auf, drängte sich an Lucrezia und den Männern vorbei und rannte nach draußen.
»Er wird gleich da sein«, sagte Lucrezia zittrig, die Blicke der Männer meidend. »Es wird nur ein paar Minuten dauern.«
»Wir warten nicht gern«, sagte der Mann in Rot kurz angebunden. Mit einer hackenden Geste drängte er sie beiseite und betrat mit seinen Begleitern die Werkstatt. »Wir warten schon seit Monaten. Wir kommen, um das Altarbild abzuholen.«
Lucrezia blickte die Männer panisch an. »Das Altarbild? Kommt ihr von den Medici?«
»Den Medici?« Die schwarz gekleideten Männer blinzelten einander zu und grinsten Lucrezia frech an. »Ja, wir sind gekommen, um die Medicibilder abzuholen. Gib sie uns.«
Lucrezia erbleichte. Die Männer breiteten sich wie ein Schmutzfleck in der Werkstatt aus, gingen mit lauten, dröhnenden Schritten umher. Wieder wurde Lucrezia ganz schlecht von ihrem Gestank.
»Wo ist das Altarbild? Es war gestern fällig.« Der bärtige Kleine blieb vor Fra Filippos Arbeitstisch stehen, schaute die Skizzen an, nahm sie und begann sie, eine nach der anderen, zu zerreißen.
»Er arbeitet daran«, stieß sie verwirrt hervor. Ihr wurde mit einem Mal ganz schwindelig. »Ser Francesco war fast jede Woche hier. Das solltet ihr doch wissen.«
»Olivio, man lügt eine Nonne nicht an«, sagte der zierliche Rote und betonte dabei besonders das Wort Nonne . An Lucrezia gewandt, sagte er: »Wir kommen nicht im Auftrag der Medici, wir kommen von der Bankiersgilde. Wegen des Auftrags.«
»Ein Auftrag?« Lucrezia tastete hinter sich und ließ sich auf den nächstbesten Stuhl fallen. »Was für ein Auftrag?«
»Er ist überfällig«, sagte einer.
»Das Bild ist nicht hier, stimmt’s, Schwester? Der Maler hat uns angelogen, oder?«
Lucrezia erstarrte. Sie blickte sich wild um, dann fiel ihr wieder ein, dass Filippo die Anbetende Madonna auf seinem Handkarren mitgenommen hatte.
»Ich weiß nicht, was Ihr meint«, sagte sie, den Tränen nahe. »Bitte fragt Fra Filippo selbst. Ich bin sicher, er wird Euch geben, was Euch zusteht.«
»Das haben wir schon. Entweder wir kriegen das Altarbild, oder wir nehmen mit, was wir können. Er schuldet uns viele Florin.«
Der Hüne unter den dreien streckte den Bärenarm aus und fegte gemächlich eine Reihe Farbtöpfe vom Regal.
»Bitte, seid vorsichtig«, sagte Lucrezia schwach.
Der kleine Bärtige öffnete einen großen
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