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Das Bildnis der Novizin

Titel: Das Bildnis der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Albanese Laura Morowitz Gertrud Wittich
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versteifte sich.
    »Warum sagst du er , Schwester Lucrezia?« Sie fuhr herum. »Wieso glaubst du, das Kind ist ein Junge und kein Mädchen?«
    Lucrezia war sich sicher, dass es ein Junge werden würde. Seit Monaten schon war sie sich dessen sicher. Ein Sohn für Filippo. Aber die scharfen Worte der Nonne taten weh. Sie schüttelte den Kopf, wusste nicht, was sie erwidern sollte.
    »Ein Mädchen wird leiden, so wie alle Frauen leiden müssen«, stieß Schwester Pureza überraschend heftig hervor. »Oder glaubst du etwa, das Schicksal meint es gut mit einem Bastard, einem Kind der Schande?«
    Lucrezias Augen schwammen in Tränen; sie konnte die zornigen Züge der Nonne nur noch verschwommen erkennen.
    »Ich weiß nicht«, keuchte sie.
    »Natürlich weißt du es nicht.« Schwester Pureza machte keinerlei Anstalten, ihre Wut zu verbergen. »Du weißt nichts über Schmerz und Leid. Du bist eine Närrin, Schwester Lucrezia, ein eitles, dummes Gör.«
    Lucrezia versuchte nicht, sich zu verteidigen. Sie hatte den Zorn der Nonne mehr als verdient.
    »Bitte, Schwester Pureza«, presste sie unter Tränen hervor. »Bitte, lasst mein Kind nicht für meine Sünden leiden. Tut ihm nichts.«
    »Junge oder Mädchen, Gott ist derjenige, der strafen wird, nicht ich.«
    Die alte Nonne, die selbst über ihre heftige Reaktion erschrocken war, suchte mit zitternden Händen zwischen den Fläschchen auf dem Tablett herum. Sie wählte eine Flasche Eisenkraut mit Distelwurzel und zog den Korken heraus, schnupperte an der bitteren Tinktur, gab einige Tropfen davon in einen Becher Wasser und rührte um.
    »Hier, trink das. Das wird dir helfen, zur Ruhe zu kommen«, befahl sie scharf. Sie hielt Lucrezia den Becher hin, doch diese nahm ihn nicht.
    »Mach, was du willst.« Die Alte drückte den Becher in Lucrezias verkrampfte Hände. Dabei sah sie, dass das Mädchen einen Ring am Finger hatte: ein Goldreif mit einem roten Jaspis. Roter Jaspis, der Stein der Liebe.
    Die Äbtissin schrieb den Brief selbst. Sie schrieb ihn noch am selben Tag, während Schwester Camilla und Schwester Spinetta beim Morgengebet waren. Diese Angelegenheit ging die beiden nichts an. Was sie tat, war gut und richtig.
    »Im Namen des Herrn, an diesem einundzwanzigsten Juli 1457
    Hochgeschätzter Generalabt Saviano,
    Schwester Lucrezia ist heute in den frühen Morgenstunden ins Kloster zurückgekehrt. Sie liegt in den Wehen. Ich habe ihr, gemäß Euren Anweisungen, Aufnahme gewährt.«
    Die Äbtissin warf einen Blick auf die drei Goldflorin, die vor ihr auf dem Schreibtisch lagen.
    »Sie gab uns zwei Goldflorin, die ich der Klosterkasse hinzufüge. Wie Ihr wisst, werden unsere Finanzreserven immer knapper. Möge der Herr Euch segnen und behüten.«
    Die Äbtissin versiegelte den Brief. Ein leiser Zweifel keimte dabei in ihr auf. Sie konnte sich nicht erklären, wieso der Generalabt unbedingt wollte, dass Lucrezia ins Kloster zurückkehrte – sie hatte ihnen doch bisher nichts als Schande gebracht. Aber Saviano war ein mächtiger Mann und es hatte keinen Zweck, seine Entscheidungen zu hinterfragen. Nein, sie würde Lucrezias unwillkommenen Aufenthalt stattdessen dazu nutzen, den Maler zu drängen, wenn nötig zu zwingen, das versprochene Altarbild anzufertigen.
    Die Äbtissin versuchte es zwar zu verbergen, doch war sie während des Winters zunehmend schwächer geworden und hatte sich auch in den warmen Sommermonaten nicht mehr richtig erholt. Sie spürte, dass ihre Zeit auf dieser Erde sich dem Ende nahte. Sie wollte daher alles in ihrer Macht Stehende tun, um ihren Einzug ins Himmelreich zu begünstigen. Und ihr Bildnis neben dem Heiligen Gürtel würde sie auf diesem Weg ein gutes Stück weiterbringen.
    Abermals blickte sie auf den Umschlag in ihrer Hand. Sie konnte die Adresse, die sie Augenblicke zuvor selbst geschrieben hatte, kaum entziffern. Sie hielt den Umschlag näher an ihre Augen, doch das machte es nur noch schlimmer. Dann hielt sie ihn auf Armeslänge von sich und konnte gerade noch den Namen des Generalabtes erkennen.
    »Ich sollte wirklich nicht so klein schreiben«, murmelte sie vor sich hin.
    Nachdem Fra Filippo seinem Nachbarn Wagen und Esel zurückgebracht hatte, ging er nach Hause, verband seinen Kopf und umwickelte seinen Brustkorb mit Stoffstreifen, die, von schmutzigen Fußtritten besudelt, auf dem Boden herumlagen. Vorsichtig tastete er seine Rippen ab und stellte zu seiner großen Erleichterung fest, dass nichts gebrochen war. Er räumte auf, so gut

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