Das Bildnis der Novizin
schwarzen Sack und begann die Farbtöpfe des Malers einzusammeln. Der Hüne suchte derweil sämtliche Pappelbretter zusammen, derer er habhaft werden konnte, und stapelte sie neben der Haustür auf.
»Die sollten ein bisschen was wert sein. Damit sich die Mühe lohnt!«, brummelte er.
Der Kleine, offenbar betrunken, geriet ins Taumeln und fiel gegen einen Stuhl, der krachend umkippte. Farbe spritzte auf Lucrezias Kleid, und sie rannte in die Küche, versteckte sich hinter dem Vorhang. Voller Schrecken lauschte sie, wie die Männer in der Werkstatt herumpolterten.
»Bitte«, rief Lucrezia zitternd, »seid bitte vorsichtig!«
Weinend hörte sie zu, wie die Werkstatt verwüstet wurde, wie die Männer lachend und fluchend alles einsammelten, dessen sie habhaft werden konnten, und vor die Hütte brachten. Sie trampelten in ihrem kleinen Gärtchen herum und erregten die Aufmerksamkeit der Wollwalkerskinder, die sich gaffend um das Haus versammelten.
»Das Gold muss doch irgendwo sein«, hörte sie einen der Männer knurren.
»Er hat’s gut versteckt, der Mistkerl«, sagte ein anderer und warf die letzten Bretter auf den Haufen.
»Lucrezia?« Keuchend kam Fra Filippo ins Haus gerannt, schob sich an den drei Männern vorbei und stieg durch die verwüstete Werkstatt. »Lucrezia, ist dir etwas zugestoßen?«
Ihre Antwort ging im Gebrüll der Männer unter, die sich nun auf den Mönch warfen. Die zwei Schwarzgekleideten packten ihn bei den Armen.
»Lucrezia!«, schrie er und wehrte sich verzweifelt. »Wo ist sie?«
»Sie ist in der Küche«, antwortete der Mann in Rot mit seiner gepflegten Mailänder Aussprache. »Deine Hure interessiert uns nicht, Bruder. Wir wollen das Altarbild.«
»Ihr Mistkerle!«, brüllte der Mönch und trat mit den Füßen um sich. »Raus hier! Raus, oder ich bring euch um!«
Der Hüne ballte die massige Faust und ließ sie an Fra Filippos Kinn krachen.
»Das Altarbild oder das Geld zurück!«, brüllte er dabei. Fra Filippos Kopf flog in den Nacken. »Wir haben dir gesagt, dass wir keine Geduld haben. Wo ist das Bild, Bruder? Na, wo ist es?«
»Ich arbeite noch dran«, gurgelte Fra Filippo, den Mund voller Blut.
»Zu spät. Es sollte schon lange fertig sein.«
»Es ist im Dom«, sagte er, sich aufbäumend. »Lasst mich los, und ich zeig es euch.«
»Du lügst. Wir waren dort, wir wissen, dass da kein Bild für die Gilde ist.«
»Ihr Narren! Ihr wisst gar nichts!« Der Maler bekam einen Arm frei und schlug blind um sich.
Der Hüne lachte, hielt ihn am Handgelenk fest und verdrehte ihm den Arm, dass der Maler aufschrie.
»Maler, die hübsche Nonnen vögeln, halten auch nicht ihre Versprechungen, das weiß doch jeder.«
Fra Filippo brüllte vor Wut, aber die Männer hielten ihn unerbittlich fest. Der Hüne versetzte ihm einen Schlag aufs rechte Auge, dann einen in den Magen und schließlich noch zwei Hiebe in den Unterleib. Der Maler ging nach Luft ringend in die Knie. Ein Tritt an seinen Schenkel, noch einen in den Unterleib. Er sackte zu Boden. Die Männer fingen nun damit an, ihm in die Rippen zu treten.
»Glaubst du vielleicht, die Bankiersgilde hat Geld zu verschenken? Wir haben viel Geduld gehabt. Du hast Glück, dass wir dir nicht beide Arme brechen.«
Während sich der Maler vor Schmerzen auf dem Boden wand, rafften sie Lucrezias herrliche Seidenstoffe zusammen. Selbst ihr gelbes Geburtshemd ließen sie mitgehen, eingewickelt in die blaue Seidenbahn.
»Finger weg von dem Kleid, du gemeiner Bettler!«, brüllte Fra Filippo. Er wollte sich erheben, doch einer der Männer setzte den Fuß auf seinen Rücken. Fluchend musste er zusehen, wie die Männer all die schönen Stoffe einsammelten.
»Ich bring euch um«, knurrte er. Aber er konnte sich nicht rühren, der Fuß nagelte ihn unbarmherzig am Boden fest.
Der Mann in Rot bückte sich und fauchte ihm ins Gesicht: »Mach das Bild fertig. Oder ich bring dich um.«
Das war das Letzte, was Fra Filippo hörte, bevor seine linke Schläfe explodierte und er das Bewusstsein verlor.
Lucrezia wartete, bis sich die Schritte der Männer entfernt hatten. Dann, als sie sicher war, dass sie fort waren, kam sie aus der Küche und stieg über das Chaos in der Werkstatt zum Maler. Mit letzter Kraft schleppte sie sich zur Tür und legte den Riegel vor. Zur Sicherheit klemmte sie auch noch einen Stuhl unter die Klinke. Dann sank sie neben dem Maler zu Boden. Sie berührte sein Gesicht, seinen blutenden Mund. Sie weinte. Aber es waren Tränen
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