Das Bildnis der Novizin
beleidigt. Und deshalb musste sie nun so leiden.
Heilige Mutter Maria, bitte lass mein Kind nicht für meine Sünden büßen. Vergib mir!
Betend fiel Lucrezia in einen unruhigen Schlummer. Und betend sah sie das angespannte Gesicht von Schwester Pureza im Dunkeln auftauchen, spürte, wie sie ihren Brustumschlag überprüfte, die Einlage auswechselte. Sie betete auch noch, als der Morgen graute.
»Heilige Jungfrau Maria«, murmelte sie fiebrig vor sich hin. »Sieh mein Leid, das nichts gegen das deine ist. Aber durch dieses Leid bin ich dir nähergekommen. Heilige Mutter, bitte hilf mir. Hilf meinem Kind.«
Fra Filippo sah den Dienstag am Fenster seiner Werkstatt heraufdämmern. Er hatte Lucrezia versprochen, dass ihr niemand mehr wehtun würde. Und jetzt litt sie doch. Die Äbtissin hatte sein Gold genommen und sich dann gegen ihn gewandt. Schwester Pureza hatte sie verraten. Lucrezia weigerte sich, zu essen. Sie wurde von Tag zu Tag schwächer.
Der Maler stellte sich vor, wie er die Klostertore stürmen und Lucrezia mitnehmen würde. Aber das war natürlich unmöglich. Ohne Arbeit würde ihm rasch das Geld ausgehen und der Generalabt oder Inghirami oder die Medici oder die Kurie – oder alle zusammen – würden ihm keine Ruhe lassen, würden ihn für seine Anmaßung bestrafen wollen.
Fra Filippo schlüpfte in seine schmutzige Kutte. Er schärfte sein Rasiermesser und rasierte sich widerwillig, wobei er sich mehrere Schnitte zuzog.
Er hatte geglaubt, mit seinem Talent alles bekommen zu können, was er wollte. Er hatte geglaubt, die Medici würden ihm helfen.
Jetzt jedoch erkannte er, dass er sein gottgegebenes Talent missbraucht hatte. Er hatte damit geschachert wie mit einer Ware, um Menschen – Männer wie Frauen – dazu zu bringen, ihm zu geben, was er wollte.
Die wahre, echte Madonna hatte er dabei ganz aus dem Auge verloren. Aber das Fest des Heiligen Gürtels rückte näher – und Fra Filippo war fest entschlossen, seine Sünde wiedergutzumachen. Als Erstes würde er das Altarbild malen, das er der Äbtissin versprochen hatte. Und es sollte sein Sühnegeschenk an die Madonna werden – so prächtig, wie er es nur machen konnte. Er hoffte, auf diese Weise ihre Gunst zurückzugewinnen. An wen sonst sollte er sich wenden, als an die Muttergottes, die Schutzpatronin aller Frauen und Kinder?
Ein Hahn krähte im Hinterhof eines Nachbarhauses und Karren ratterten über die Piazza. Als Fra Filippo sich gerade ein Stück Brot nahm, klopfte es leise an der Tür.
»Bruder, ich bin’s, Paolo. Ich habe eine Nachricht für Euch, aus dem Kloster.«
Der Mönch öffnete sogleich und blickte auf Paolo hinab. Der Junge schien seit dem Eintritt seiner Schwester ins Kloster ein ganzes Stück gewachsen zu sein. Fra Filippo streckte die Hand aus.
»Gib sie mir, bitte«, sagte er mit einer ungeduldigen Bewegung.
»Es ist kein Brief, ich soll Euch nur etwas ausrichten.«
Fra Filippo erbleichte. »Los, nur heraus damit.«
»Schwester Pureza sagt, Ihr müsst kommen, es ist dringend«, stammelte Paolo. Er drückte dem Maler eine verschlissene schwarze Mönchskutte in die Hand. »Ihr sollt das hier anziehen und einen Stein über die Gartenmauer werfen. Und dann beim alten Birnbaum auf sie warten.«
Als der Stein in den Garten flog, stellte Schwester Pureza den Korb mit frischem Basilikum beiseite und schlüpfte durch die Klosterpforte hinaus. Sie roch das verfaulende Obst am Boden und fand Fra Filippo bei dem verkrüppelten Birnbaum, der allein von dem alten Obsthain übrig geblieben war. Hätte er nicht so unverkennbare Züge gehabt, sie hätte gedacht, dass ein anderer Mann dort auf sie wartete. Der Maler, den sie kannte, war stark, viril und selbstbewusst, aber der Mann vor ihr war abgemagert, und dunkle Ringe lagen unter seinen Augen.
»Ist etwas mit Lucrezia?«, fragte er sofort. »Ist ihr etwas zugestoßen?«
Die alte Nonne schämte sich und war voller Bedauern.
»Sie erholt sich zwar nur langsam, aber sie ist stark und wird genesen.« Sie blickte dem Mönch offen in die blutunterlaufenen Augen. »Keine Sorge, ich habe als Freundin nach Euch geschickt. Spinetta hat mir alles erzählt, Bruder«, sagte sie ohne Umschweife. »Dies ist nicht der Zeitpunkt, um darüber zu debattieren, wie klug oder wie töricht es war, Euch in Lucrezia zu verlieben und sie in Euer Bett zu holen. Es ist nun mal geschehen.«
»Aber ich liebe sie«, brach es aus Fra Filippo hervor. »Ich liebe sie. Ich habe es Euch an dem Tag in
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