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Das Bildnis der Novizin

Titel: Das Bildnis der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Albanese Laura Morowitz Gertrud Wittich
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verbleibe ich
    Euer ergebener Diener in Christi,
    Fra Filippo Lippi.«
    Es war nun schon fast ein Jahr her, seit der Heilige Gürtel in ihrem Besitz gewesen war – und noch immer wartete sie auf den erhofften Segen für das Kloster. Wäre sie ein anderer Mensch, sie hätte in diesem Moment vielleicht überlegt, ob es nicht auch an ihr liegen könnte. So jedoch reagierte sie auf die für sie typische Weise: mit Gereiztheit und einem nicht geringen Maß an Bockigkeit.
    Sie saß an ihrem Schreibtisch und blickte über die Ränder ihrer Brillengläser nach draußen, wo eine Quitte stand, deren Äste voll herrlicher, goldgelber Früchte hingen.
    Sie musste daran denken, wie freudig sie die Gelegenheit ergriffen hatte, in den Besitz der Reliquie zu gelangen, wie ehrfürchtig sie den abgegriffenen Gürtel in den Händen gehalten hatte. Sie war davon überzeugt gewesen, dass nun großes Glück und großer Segen auf das Kloster zukommen würden. Sie war daher bescheiden geblieben, was ihre Wünsche betraf, hatte lediglich um einen neuen Schreibtisch, ein paar Töpfe für die Küche und ein wenig Geld zur Aufbesserung der Klosterkasse gebetet, genug, dass es auch für einen bescheidenen Diamantring für sie selbst reichte.
    Aber das erhoffte Glück war ausgeblieben, die Stimmung im Kloster war angespannt. Von Tag zu Tag wuchs die Kluft zwischen jenen, die Verständnis für Lucrezia hatten, und den anderen, die – wie sie selbst – vernünftig genug waren zu erkennen, dass Lucrezia sich selbst in diese missliche Lage gebracht hatte.
    Sie hatte ihren eigenen Goldflorin zur Bezahlung der Brille verwenden müssen, einer Brille, die obendrein schrecklich kniff.
    Und was am schlimmsten war: Sie hatte im letzten Monat bereits dreimal eine beunruhigende Rotfärbung ihres Urins beobachtet, ein sicheres Zeichen dafür, dass ihre Körpersäfte in Unordnung geraten waren. Ja, sie wusste, dass sie wahrscheinlich nicht mehr allzu lange zu leben hatte. Umso wichtiger war es, dass dieser närrische Maler das versprochene Altarbild mit ihrem Porträt rechtzeitig anfertigte!
    Nun, unter diesen Umständen blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als ihm nochmals Zugang zum Kloster zu gewähren.
    »Schwester Camilla, bring mir Feder und Tinte! Ich werde Fra Filippo schreiben, er soll sofort mit meinem Altarbild anfangen!«
    Schwester Pureza sah Fra Filippo kurz nach Laudes im Klosterhof auftauchen, eine Pergamentrolle unterm Arm und die vertraute Ledertasche über der Schulter. Sie blickte ihm nach, bis er im Büro der Äbtissin verschwunden war, dann schickte sie Rosina nach einer Schale Brühe in die Küche. Als diese abgekühlt war, fütterte sie Schwester Lucrezia damit.
    »Das Fest des Heiligen Gürtels rückt näher«, sagte Lucrezia leise. »Bis dahin möchte ich stark genug sein, um dabei zu sein und zur Heiligen Jungfrau zu beten, wie ich es schon letztes Jahr hätte machen sollen.«
    Lucrezia blickte Schwester Pureza an und bemerkte deren wachsam-verhaltene Miene.
    »Was ist, Schwester Pureza? Du bringst mir doch mein Kind zurück, oder?«
    »Ich tue alles, was ich kann«, antwortete die Alte. Sie schaute Lucrezia prüfend an und beschloss dann, ihr die Wahrheit zu sagen. »Ich war bereits bei der Amme, der man dein Kind gegeben hat.«
    »Ja?« Lucrezia stockte der Atem. »Und er ist dort?«
    »Nein, es tut mir leid, Liebe. Man hat ihn weggebracht, ich weiß nicht wohin.«
    Lucrezia schob den Löffel von sich, mit dem Schwester Pureza sie zu füttern versuchte.
    »Dann weißt du also nicht, wo er ist und wie du ihn mir zurückbringen kannst!«, sagte sie, und ihre Angst wurde von jähem Zorn verdrängt.
    »Es gibt viele Frauen in Prato, die uns helfen werden. Du musst Geduld haben, das geht nicht so schnell«, versuchte Schwester Pureza Lucrezia zu trösten.
    »Aber er braucht mich, Schwester Pureza.« Lucrezias Augen blitzten. »Er braucht mich gerade jetzt.«
    Eine düstere Stimmung lag über dem Kloster, lähmte alle, die dort lebten und arbeiteten, in den Ställen, den Gärten, der Küche. Und wie zum Hohn auf diese Starre explodierte der Klostergarten förmlich von Leben. Zum ersten Mal seit Jahren gab es überreichlich Stangenbohnen, und auch das Geißblatt wucherte, dass es eine Freude war.
    Schwester Pureza zeigte Rosina, wie man die langen Bohnen von den Stängeln abknipste und geschickt in den am Boden stehenden Korb fallen ließ. Dabei überlegte sie ununterbrochen, wo man das Kind wohl hingebracht haben könnte. Der

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