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Das Bildnis der Novizin

Titel: Das Bildnis der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Albanese Laura Morowitz Gertrud Wittich
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Generalabt war grausam und gerissen genug, das Kind wer weiß wohin geschickt zu haben, in die weitere Umgebung von Prato, vielleicht aber auch an einen ganz anderen Ort in Italien. Aber ein unbekanntes Kind, ein Bastard obendrein, ließ sich nicht so leicht verstecken. Außerdem hatte sich die Neuigkeit, dass die Novizin einem Kind das Leben geschenkt hatte, inzwischen sicher überall in Prato und Umgebung herumgesprochen.
    Sie brauchte jemanden, der sich für sie in der Stadt umhörte, der Bescheid wusste über das Leben und Treiben, der die umherschwirrenden Gerüchte erfuhr. Schwester Pureza konnte sich niemanden vorstellen, der dieser Aufgabe besser gewachsen war, als die Frauen im wuseligen Palazzo der Valentis, wo ständig Kaufleute und Boten ein- und ausgingen.
    Schwester Pureza ließ also Rosina bei den Stangenbohnen zurück und ging in ihre Zelle, wo sie sich hinsetzte und ein Schreiben an Signora Teresa verfasste.
    Nachdem sie den Brief mit Wachs versiegelt hatte, passte sie den Milchmann ab, der täglich die Milch und den Rahm des Klosters abholte und zum Markt brachte. Sie bat ihn, den Brief noch am selben Tag im Palazzo abzugeben.
    »Nimm dir dafür einen Extrakrug Rahm für deine Kinder«, sagte sie zu dem rotbackigen Mann und drückte ihm den Brief in die feiste Hand.
    Schon am nächsten Morgen brachte der Milchmann die Antwort, verfasst auf feinstem Pergament, versiegelt mit dem Stempel der Valentis. Die gute Signora schrieb, dass Nicoletta, ihr Stubenmädchen, deren scharfen Ohren kein Klatsch entging, gehört habe, dass im Waisenhaus zwei neue Säuglinge abgegeben worden seien. Zweimal habe es geläutet, einmal für jede der armen kleinen Seelen.
    » Ich hoffe, Ihr findet das Kind«, schrieb die Signora, »ich werde jedenfalls für Lucrezia beten. Einen solchen Schicksalsschlag hat sie nicht verdient; ich weiß, wie gut sie ist. Dieser Vorfall könnte für jene von uns, die mit viel mehr gesegnet sind als sie, die Gelegenheit sein, christliche Demut und Vergebung zu zeigen. Mein bescheidener Beitrag hierzu ist die Aussetzung einer Belohnung zur Auffindung des Kindes: ein Mastschwein aus unseren Ställen.«
    Schwester Pureza faltete den Brief zusammen und steckte ihn in ihr Habit. Dann ging sie zu Rosina in den Garten und wies sie an, noch einen Korb Stangenbohnen zu pflücken und anschließend den Kreuzdorn zu beschneiden.
    Abschließend schaute sie noch kurz bei der Mutter Oberin herein.
    »Was ist?«, fragte die Mutter Oberin und blickte sie über ihre Brille hinweg scharf an.
    »Ein Fieber – bei den Falconis liegt eine Mutter in den Wehen. Man hat nach mir geschickt. Wenn ich gleich komme, will man mir ein Schwein fürs Kloster geben.«
    »Ein neues Schwein?«, fragte die Äbtissin gierig.
    »So Gott will, werde ich vor Nona wieder zurück sein.«
    Nach diesen Worten schlüpfte Schwester Pureza flink aus dem Tor.
    Das Waisenhaus von Prato war nicht so prächtig wie das berühmte Waisenhaus in Florenz. Es war von demselben großzügigen Kaufmann, Francesco Datini, in Auftrag gegeben worden, der der Stadt den Heiligen Gürtel vermacht hatte. Das Gebäude stand im Süden der Stadt. Die Front wies eine schlichte Loggia und das Wappen der Datini auf. Die Auffahrt zierten einige Rondelle mit Puttenfiguren.
    Als sich Schwester Pureza dem Gebäude näherte, sah sie eine Schar älterer Kinder und zwei Nonnen in der braunen Tracht der Franziskanerinnen. Die Nonnen gaben soeben Brotkanten an die Kinder aus, so dass niemand auf die kleine alte Nonne in Schwarz achtete, die das Gebäude betrat.
    Schwester Pureza hatte vielen Kindern auf die Welt geholfen, im Waisenhaus war sie jedoch bisher nur zweimal gewesen. Als sie die bescheidene Eingangshalle betrat, schallte ihr das Geschrei von Säuglingen entgegen. Es roch scharf nach Urin. Schwester Pureza hielt eine vorbeieilende Franziskanerin an und erkundigte sich, wo die Neuzugänge untergebracht seien. Die Nonne wies mit einem knappen Nicken auf eine Tür hinter der Haupttreppe und eilte weiter.
    Drei einsame kleine Würmer lagen in dem kleinen Raum in ihren Krippen, drei winzige Säuglinge, die mit roten Gesichtern und offenen Mäulchen hungrig nach Nahrung schrien. Sie alle warteten auf die einzige Amme, die zum Stillen zur Verfügung stand. Schwester Pureza konnte nicht anders: Sie musste an die luxuriös ausgestattete Geburtskammer von Signora Teresa denken und daran, wie viele Menschen dort einem einzigen Kind jeden Wunsch von den Augen

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