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Das Bildnis der Novizin

Titel: Das Bildnis der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Albanese Laura Morowitz Gertrud Wittich
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Johanniskraut, das ist gut gegen Kummer und trübe Gedanken.« Sie hielt inne. »Ich weiß das, Kind, weil es auch mir einst geholfen hat.«
    Die Nonne seufzte und zog den Hocker näher an Lucrezias Bett. Die junge Frau musterte sie argwöhnisch.
    »Ich weiß das, weil es mir auch geholfen hat«, wiederholte die alte Nonne. »Vor langer Zeit, als ich noch jung und schön war, habe ich einen schrecklichen Fehler gemacht. Ich habe gesündigt und teuer, sehr teuer dafür bezahlt.«
    Lucrezia rieb sich den Schlaf aus den Augen. Aufmerksam hörte sie zu.
    »Ich weiß, wie es ist, in den Armen eines Mannes zu liegen, ein Kind in sich heranwachsen zu fühlen«, sagte Schwester Pureza langsam. »Mein ganzes Leben lang habe ich diese Schande mit mir herumgetragen.«
    Ein Ausdruck des Mitgefühls legte sich über Lucrezias Züge. Die Alte legte ihre schwielige Hand unter Lucrezias Kinn, so dass diese zu ihr aufblickte, und sie erzählte weiter, erzählte zum ersten Mal die ganze Wahrheit.
    »Ich hielt Leidenschaft für Liebe«, gestand sie. »Das passiert vielen, Frauen wie Männern, Lucrezia. Sie verwechseln Leidenschaft mit Liebe, Lust mit Liebe. Und bezahlen mit ihrem Blut für ihre Sünden.«
    Sie schüttelte den Kopf, dachte daran, wie sie vor so langer Zeit selbst in ebendiesem Raum gelegen hatte, wie sie sich geschworen hatte, nie wieder einer Leidenschaft oder einer Schwäche zum Opfer zu fallen. Nie wieder zu lügen. Mit stockenden Worten beichtete sie Lucrezia alles, was sie getan hatte, schilderte ihre ganze damalige Verzweiflung.
    »Wenn ich hart dir gegenüber war, dann nur aus diesem Grund«, sagte sie am Ende ihrer langen Geschichte. Die Stimme der Alten brach, und Lucrezia merkte, wie ihr selbst die Tränen kamen. »Ich war hart, weil ich mich selbst in dir sah. Und das machte mir Angst.«
    Schwester Pureza sah Lucrezias tränennasse Wangen und musste an deren ersten Tag im Kloster denken, als das Mädchen sie weinend anflehte, ihre seidene Unterwäsche behalten zu dürfen.
    »Weine nicht, Lucrezia. Es ist noch nicht zu spät. Wir werden zur Heiligen Jungfrau beten. Wir werden deinen Sohn finden.«
    Lucrezia schüttelte den Kopf.
    »Schwester Pureza«, sagte sie, »glaubst du wirklich, dass mir die Jungfrau helfen wird, selbst jetzt noch?«
    Schwester Pureza überlegte. Sie war überzeugt davon, dass die Muttergottes Lucrezias Leid sah und Mitleid mit ihr hatte. Sie glaubte, dass Maria voller Gnade und Mitgefühl war und dass sie Fra Piero helfen würde, die Aufgabe zu erfüllen, von der ihr ganzer Plan abhing. Aber das alles konnte sie Lucrezia nicht sagen.
    »Ich glaube, die Jungfrau Maria weiß um deinen Kummer, und sie liebt dein Kind.« Sie strich mit ihren rauen Gärtnerinnenhänden über Lucrezias Wange, wischte ihre Tränen fort. »Und jetzt trink das, es wird dir helfen.«

28. Kapitel

    Am Freitag der dreizehnten Woche nach P fingsten, im Jahre des Herrn 1457
    D er Maler lief im Schein flackernder Kerzen und zischender Öllampen vor seinen Fresken auf und ab, studierte sie sorgfältig. Er lebte nun schon seit sechs Jahren mit diesem Zyklus, und mehr und mehr schien es ihm, dass sein Leben den Darstellungen glich. Stephanus’ Trennung von seinen Eltern zum Beispiel erinnerte ihn an den Tod seiner eigenen Eltern; in den Geburtsszenen erblickte er den Luxus, den er sich für Lucrezia gewünscht hatte; im Martyrium des Täufers sah er ein Spiegelbild seiner eigenen tiefen inneren Verzweiflung; und in Salome, rund und sinnlich, sah er eine erotische Version seiner geliebten Lucrezia.
    Er hatte die ganze Nacht durchgearbeitet, aber nun straffte er die Schultern und musterte die Szene von der Geburt des heiligen Stephanus. Die Mutter lag erschöpft und glücklich auf ihrer hohen Bettstatt, der Korb mit dem Kinde stand auf dem Boden, daneben hockte eine Amme. Doch dies war unzureichend, um die Gefahr auszudrücken, in der der Säugling schwebte – eine Gefahr, die, wie Fra Filippo mehr und mehr klar wurde, jener ähnelte, in der sich auch sein eigener Sohn befand.
    Als die Sonne ihre ersten Strahlen über den Horizont schickte, rührte der Maler einen frischen Kübel Terra verde an und zerrte die Leiter zur Nordwand der Kapelle. Er kletterte auf das Gerüst, das bis zur Lünette hinaufreichte, und machte sich daran, eine neue Farbschicht auf den trockenen Verputz aufzutragen. Eine neue Gestalt entstand inmitten der friedlichen Geburtsszene – eine unheimliche, gruselige Gestalt: ein geflügelter Dämon,

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