Das Bildnis der Novizin
fehlende Inspiration gefunden«, erklärte der Mönch. »Ihr werdet Euer Meisterwerk bekommen.«
Die lange Tafel war beladen mit gebratenem Fasan, frischem Obst, Artischocken, verschiedenen Käsesorten und Schüsseln mit dicker Brotsuppe.
Der Mönch schloss sich den Männern an. Man griff herzhaft zu und trank dazu einen Wein, den sich Fra Filippo natürlich nicht leisten konnte.
Man unterhielt sich über Politik.
»Die ganze Welt wartet gespannt darauf, wer der Nachfolger von Papst Kalixt III. wird, seit durchgesickert ist, wie schlimm es wirklich um den Gesundheitszustand des Heiligen Vaters bestellt ist«, sagte de Valenti und warf Cantansanti einen neugierigen Blick zu. Er schenkte dem Emissär Wein nach.
»Nun, es ist kein Geheimnis, dass Enea Silvio Piccolomini, der Bischof von Siena, der Favorit der Medici ist. Sie versuchen schon seit einiger Zeit, ihn auf den Papstsessel zu hieven«, erklärte Cantansanti lässig und hob das Weinglas an seine Lippen. »Man erwartet, dass die Opponenten von Piccolomini den Erzbischof von Rouen vorschlagen, aber d’Estouteville ist ein schwacher Kandidat.«
Fra Filippo lauschte dieser Unterhaltung mit großem Interesse. Wer immer die Macht in Rom innehatte, verfügte auch über die enormen Geldmittel der Kirche. Es war allgemein bekannt, dass der amtierende Papst kein Freund der Künste war. Aber ein Papst, dem die Medici auf den Heiligen Stuhl verholfen hatten, würde sicher ein Herz für die favorisierten Maler des mächtigen Familienclans haben. Und zu jenen zählte sich Fra Filippo.
»Und Ihr, Bruder Filippo, was hört Ihr aus Eurem Kloster?« Cantansanti bedachte den Maler mit einem nachsichtigen Blick.
Fra Filippo wählte seine Antwort so, dass keiner der Anwesenden daran Anstoß nehmen konnte.
»Nur das ermüdende Geschwätz der Mutter Oberin, ich muss es zu meiner Schande gestehen«, erklärte er und zog dabei seinen Gürtel über seinen vollen Bauch. »Alles, was ich höre, sind die kleinen Sorgen und Nöte der Nonnen, und die unterscheiden sich kaum von den Eifersüchteleien und kleinlichen Bedürfnissen aller Frauen. Glaubt mir, die Eitelkeit macht nicht vor den Klostertoren Halt, meine Freunde!«
Die Männer grinsten.
»Und dann muss ich mir natürlich auch die Klagen des Propsts anhören«, fuhr Fra Filippo fort und verdrehte die Augen. Er wusste, dass Ottavio de Valenti den Propst nicht sonderlich leiden konnte und dass auch Cantansanti kein Freund des wichtigtuerischen Inghirami war. »Andauernd beschwert er sich darüber, dass die Gläubigen nicht genug spenden, dass ich nicht schnell genug male, und natürlich, dass die Vorbereitungen auf das Fest des Heiligen Gürtels anstrengender seien als je zuvor.«
»Der Mann ist die reinste Pest«, rief de Valenti, und die Männer brachen in herzliches Gelächter aus.
Fra Filippo erkannte, dass dies der richtige Moment war, um mit seinem Anliegen herauszurücken, da der Emissär in so gelöster Stimmung war. Rasch begann er von seinem Altarbild für König Alfonso zu erzählen, seine Vision der Madonna zu schildern, wie er sich ihr Gesicht vorstellte.
»Ja«, murmelte Cantansanti nachdenklich, als der Maler innehielt. »Ja, genau das wäre das Richtige für den König von Neapel.«
Von dieser Reaktion ermutigt, begann ihnen der Mönch von dem Gesicht zu erzählen, das er im Kloster Santa Margherita entdeckt hatte und dessen Schönheit selbst die schönsten Porträts überstieg.
»Ihr seht, in welcher Zwickmühle ich stecke, Freunde«, sagte Fra Filippo am Schluss. »Da ist diese reine, unberührte Schönheit, eine junge Frau hinter Klostermauern. Was wäre besser geeignet als Abbild der Jungfrau Maria? Nur einige wenige Hindernisse stehen zwischen uns und diesem höchsten Ruhm für Seine Exzellenz, Cosimo de Medici, möge ihm der Herr Jesus Christus ein langes Leben schenken.«
»Nun, es gibt viele wertvolle Dinge in Prato«, sinnierte Cantansanti und prostete Fra Filippo zu. »Es dürfte nicht allzu schwer werden, die Äbtissin von dem zu überzeugen, was das Beste für uns alle ist.«
Schwester Camilla, die nach den Nonas des übernächsten Tages eine Tasse heiße Gemüsebrühe schlürfte, glaubte sich verhört zu haben. Sie musste sich verhört haben. Sicher lag es am Dampf der Brühe, dass sie die Worte der Mutter Oberin missverstanden hatte.
»Verzeihung, Mutter Oberin, ich glaube, ich habe dich nicht richtig verstanden.«
»Ich sagte«, wiederholte Äbtissin Bartolommea, »dass die Novizin
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