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Das Bildnis der Novizin

Titel: Das Bildnis der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Albanese Laura Morowitz Gertrud Wittich
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Tuch.« Fra Filippo sprach weiterhin direkt mit Spinetta, doch entging ihm nicht, dass Lucrezia aufmerksam zuhörte. »Wir nehmen die Elemente der Erde und machen aus ihnen wundervolle Farben, um damit unsere Kirchen zu schmücken. Schönheit geht nicht verloren, sie wird nur umgewandelt, ob es nun ein herrlich angelegter Garten ist oder ein von Menschenhand geschaffenes Bild. So ist das Leben.«
    Fra Filippo trat an ein Becken, wusch sich die Hände und trocknete sie an einem Handtuch ab. Er ging zu seinem Arbeitstisch und entfaltete ein Pergament: die Skizze des Triptychons für König Alfonso.
    »Nun werde ich euch zeigen, was wir tun werden«, sagte er.
    Er beschrieb seine Pläne für das Altarbild, und wie er es schon bei Ser Francesco getan hatte, holte er auch jetzt die beiden angefangenen Seitenflügel hervor. Die Schwestern bewunderten die Figuren des heiligen Michael und des heiligen Abts Antonius. Er beschrieb ihnen die Anbetungsszene, seine Vision von der knienden Madonna, die Waldlichtung, die Blumen, die Bäume und das Jesuskind, das im Dunkel des Waldes wie eine Votivkerze leuchten sollte.
    »Im Land Neapel gibt es viele Zitronenbäume und Zypressen, wie sie auch hier, am Ufer des Flusses wachsen«, erklärte der Mönch. »Die will ich malen, dazu ein Reh und einen Wolf, der zahm zu Füßen des Jesuskinds liegt.«
    Draußen läuteten die Glocken des Stefansdoms.
    »Der Tag vergeht«, sagte Spinetta leise, »ich sollte euch nicht länger aufhalten.« Sie wandte sich um und verschwand wieder im Vorraum. Fra Filippo und Lucrezia blickten ihr nach.
    »Wir können jetzt anfangen, Schwester Lucrezia.« Der Mönch wies auf den großen Stuhl, den er vors Fenster gerückt hatte. »Bitte, setz dich.«
    »Aber sagtet Ihr nicht, dass die Madonna auf der Wiese kniet?«
    »Ja, ja, das sagte ich, aber du musst nicht knien, nicht auf dem Boden meiner Werkstatt.«
    »Aber die Madonna kniet«, sagte sie voller Bewunderung vor der Bescheidenheit der Muttergottes, »sie kniet in Demut.«
    Fra Filippo konnte nicht anders, er legte sanft zwei Finger unter Lucrezias Kinn und hob ihr Gesicht an. Lucrezia errötete heftig.
    »Du bist wie die Jungfrau«, sagte er und blickte ihr tief in die Augen. »Voller Schönheit und Demut. Sicher, wenn du es wünscht, Schwester Lucrezia, dann kannst du natürlich knien.«
    Er trat zurück, und sie kniete nieder. Das schwarze Büchlein mit den Ordensregeln legte sie neben sich auf den Boden. Dann faltete sie die Hände, so wie die Madonna auf dem Altarbild in der Klosterkapelle. Danach war kein Geräusch mehr zu hören als das Kratzen von Silberstift auf Pergament.

8. Kapitel

    Am Dienstag der zwölften Woche nach Pfingsten, im Jahre des Herrn 1456
    F ra Filippo frohlockte, als er die Sonne durch sein Atelierfenster hereinscheinen sah. Bald würde Lucrezia kommen, und er hatte sich sorgfältig auf ihren Besuch vorbereitet.
    Die ganze Woche hatte er immer wieder daran denken müssen, wie zart sich ihr Kinn unter seinen Fingern angefühlt hatte, an die rosige Wärme ihrer Haut. Er hatte sich ihre Figur in kostbaren Roben vorgestellt und lange hin und her überlegt, bevor er sich entschied, welche Farbe das Kleid der anbetenden Madonna in seinem Altarbild haben solle. Natürlich musste es etwas sein, was zum hellen, elfenbeinzarten Teint von Lucrezia passte. Er hatte sich schließlich für ein sattes Violett entschieden, weiße Seide für den Halsausschnitt, als Haarschmuck einen Kranz aus zarten Perlen. Danach hatte er wenig mehr getan, als Lucrezias herzförmiges Gesicht wieder und wieder zu skizzieren, seine Kaplanspflichten im Kloster zu erfüllen und dabei heimlich Lucrezia zu beobachten, während sie betete, oder bei ihrer Arbeit im Klostergarten.
    Ja, er hatte sogar versucht, sich bei der mürrischen Äbtissin Bartolommea einzuschmeicheln, hatte sie darauf aufmerksam gemacht, dass der Herr jene bevorzugt in sein Himmelreich einließ, die ihm in der Kunst huldigten. Er hatte ihr versprochen, sich gleich nach Fertigstellung des Medici-Triptychons an das versprochene Altarbild für Santa Margherita zu machen, auf dem die Äbtissin selbst zu Füßen der Heiligen Jungfrau Maria und des heiligen Thomas sowie der heiligen Margarete knien sollte.
    »Im Moment ist mir die Frage der Schicklichkeit unseres Arrangements wichtiger als irgendwelche Porträts meiner Person, Bruder«, hatte die Äbtissin mit schmalen Augen gemurrt. Sicher hatten inzwischen viele Leute bemerkt, dass er zweimal pro

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