Das Bildnis der Novizin
freundlicherweise euren Besuch bei mir arrangiert, damit ich dein Gesicht im Licht der Sonne porträtieren kann, Lucrezia.«
Er wagte einen Blick auf Lucrezia, doch diese errötete und schaute sich verlegen im Atelier um.
An den Wänden lehnten Holzplatten in verschiedenen Größen, einige mit einer Schicht Gesso, die anderen in einem fortgeschritteneren Stadium. An der Nordwand standen Regale voller Gläser und Ampullen. Der Anblick erinnerte Lucrezia an die Apotheken in Florenz. Auf einem Stück Pergament lagen einige Bröckchen violetter Hämatit und Malachitstücke bereit, zu Pigment zerstoßen zu werden. Auf einem Tisch stapelten sich verschiedene Pinsel, Messer und Schaber. Die Farben, die Lucrezia dort entdeckte, korrespondierten mit den Farbspritzern auf Fra Filippos Händen und am Saum seiner Kutte. Es roch leicht nach Eiern, doch hatte Fra Filippo überall im Raum kleine Lavendelsträußchen und Zitronenbalsam verteilt, um den Geruch zu überdecken.
»Das ist wunderschön hier, Bruder Filippo!«, rief Lucrezia aus. Sie hatte ihre Verlegenheit vollkommen vergessen. »Es muss Euch sicher schwerfallen, das Haus jeden Morgen zu verlassen.«
»Ja, wirklich, wir können uns glücklich schätzen, Euch als Kaplan in Santa Margherita zu haben«, beeilte sich Spinetta zu versichern.
»Das Glück ist ganz meinerseits«, sagte Fra Filippo. Da bemerkte er einen Lichtstrahl, der auf Lucrezias Gesicht fiel, und hielt den Atem an. »Schaut nur, die Sonne!«, rief er. »Wir müssen so bald wie möglich anfangen.«
Der Mönch brachte Spinetta zu ihrem Tisch im Vorraum, und Lucrezia trat ins Licht des großen Fensters, von dem aus man einen Blick auf die geschäftige Piazza hatte. Nervös tastete sie nach dem Medaillon, das sie unter ihrem Habit im Saum ihrer Unterwäsche trug. Nervös zupfte sie ihren Schleier zurecht. In diesem Moment war sie froh, ihn aufzuhaben, denn er verbarg die Röte ihres Halses.
Als Fra Filippo wieder ins Atelier kam, sah er, wie Lucrezia sich eine unsichtbare Locke aus der Stirn strich. Er fühlte sich unglaublich lebendig, war wie verzaubert von dem goldenen Licht, das den Raum erfüllte und schimmernde Flecken auf Lucrezias Habit warf.
»Schwester Lucrezia«, sagte er sanft, »ich bin so froh, dass du mir behilflich bist, denn ich brauche etwas wirklich Außergewöhnliches und Wunderbares für meinen Auftraggeber.«
»Die Freude ist ganz meinerseits«, sagte sie leise. Ihr Puls hämmerte laut in ihren Schläfen. Sie konnte den Mönch nicht anschauen, der jetzt so dicht vor ihr stand. Seine vibrierende Vitalität war zu stark.
Fra Filippo, der ihr Unbehagen spürte, legte sich einen Silberstift zurecht und befestigte frisches Vellum auf seinem Zeichentisch. Er suchte seinen Kopierstift und prüfte dessen Länge. Er ließ sich Zeit. Das vom Nonnenschleier umrahmte Gesicht des Mädchens wirkte blass im Schein der Sonne.
»Wir werden dem Licht folgen«, sagte er. »Du setzt dich hier hin und ich mich da.« Der Mönch deutete auf einen dreibeinigen Hocker für sich und einen hochlehnigen Stuhl mit einer breiten Bastsitzfläche für sie. Lucrezia rührte sich nicht.
»Bruder Filippo, ich habe oft …«, begann sie zögerlich.
Vielleicht war es ihre Nervosität, die sie zum Reden brachte. Vielleicht wollte sie, dass der Mönch die beunruhigenden Gerüchte, die über ihn kursierten und die sie gerade von ihrer Schwester erfahren hatte, zerstreute. Vielleicht wollte sie aber auch einfach nur seine tiefe, warme Stimme hören.
»Ich habe mir oft über das Farbmischen Gedanken gemacht und über das, was man Alchemie nennt.«
Die Augen des Mönchs verengten sich leicht.
»Das ist auch nicht anders als das, was die Färber mit den Seidenstoffen machen, denke ich«, antwortete er mit einem leichten Kopfschütteln.
»Verzeiht, aber ich habe immer wieder gehört, wie die Leute – gebildete, fromme Leute – auf Maler schimpften, die seltsame Substanzen mischen, um ihre Farben herzustellen«, sagte sie. »Sie sagen, damit führe man den Teufel in Versuchung.«
»Du bist so wissbegierig«, murmelte Fra Filippo erfreut.
»Es tut mir leid«, sagte Lucrezia sofort. Ihr Vater hatte ihr nur erlaubt, Fragen zu stellen, wenn sie dies mit angemessener Bescheidenheit tat. »Ich wollte damit nicht etwa Eure Frömmigkeit in Frage stellen. Ich wollte nur wissen, was Ihr von dieser Praxis haltet und ob Ihr sie selbst beherrscht.«
»Nun, ich mische meine Farben nach den neuesten Erkenntnissen, wie alle
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