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Das Bildnis der Novizin

Titel: Das Bildnis der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Albanese Laura Morowitz Gertrud Wittich
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lustig machte. War es möglich, dass er wusste, was sie in seiner Nähe empfand? Wollte er sie davor warnen, dass das Auge Gottes allzeit auf ihnen ruhte, auch jetzt?
    Lucrezia wandte sich hüstelnd ab.
    »Du bist doch nicht krank, oder?«, erkundigte sich der Mönch besorgt.
    »Nein, nein, dem Herrn sei Dank«, antwortete Lucrezia und bekreuzigte sich, wie sie es gelernt hatte, wenn man von Krankheit sprach. »Ich brauche nur einen Schluck Wasser.«
    Sofort eilte der Mönch zum Wasserbottich am Fenster, tauchte die Schöpfkelle ein und reichte sie ihr. Da sah er, dass ihre Unterlippe zitterte.
    »Vielleicht willst du dich ein wenig ausruhen, Schwester?«
    »Vielleicht«, stimmte sie mit abgewandtem Blick zu. »Aber wenn ich für Euch Modell stehe, wird es mir wieder gut gehen.«
    Ein lautes Klopfen unterbrach die Intensität dieses Moments. Fra Filippo brüllte: »Herein!«, und ein zierlicher Mann im Cape kam hurtig durch den Vorraum ins Atelier; Piero di Antonio di ser Vannozi, Prokurator eines guten Dutzends von Klöstern in der Toskana, schaute sich mit Kennerblick im hastig aufgeräumten Atelier um. Sein Blick fiel auf die präparierte Holzplatte mit den Umrissen der knienden Madonna. Dann schaute er in die frischen, reizenden Gesichter der florentinischen Novizinnen. Ein warmes Lächeln breitete sich auf seinen Zügen aus.
    »Fra Filippo, Gott meint es wahrlich gut mit dir«, rief der Prokurator aus. Dann schaute er zunächst Spinetta, dann Lucrezia an. Die Novizinnen senkten den Blick, bis Fra Filippo sie vorgestellt hatte, was er mit großem Zeremoniell tat.
    »Ich habe schon gehört, dass Santa Margherita zwei Neuzugänge bekommen hat«, erklärte Fra Piero, »aber ich hätte nicht gedacht, dass ihr euch in der kurzen Zeit schon so mit unserem Kaplan anfreunden würdet.«
    Als der Prokurator sah, wie Lucrezia errötete, beeilte er sich, seinen Schnitzer wiedergutzumachen.
    »Ich wollte euch damit nicht kränken, meine guten Schwestern. Es ist eine Ehre für uns, einen so bedeutenden Maler wie Fra Filippo in Prato zu haben, und alles, was wir tun, um ihm bei seiner Arbeit zu helfen – die der Verherrlichung Gottes dient -, ist gut und fromm.«
    Der Prokurator war ein Mann von Welt und den Schwächen und Sünden anderer gegenüber nicht weniger tolerant wie gegenüber seinen eigenen. Er bewunderte Fra Filippo schon seit langem und hatte alles getan, den Aufenthalt des Malers in Prato so angenehm wie möglich zu gestalten. Er hatte ihn den Honoratioren der Stadt vorgestellt und dafür gesorgt, dass er jede Menge Aufträge erhielt.
    Auch im Fall der Novizinnen hoffte Fra Filippo auf den Segen und die Billigung des Freundes. Voller Dankbarkeit und Zuneigung lauschte er Fra Pieros Lobeshymnen auf seine Arbeit.
    »Ich wünschte, ich könnte länger bleiben, aber ich habe heute so viel zu erledigen«, erklärte Fra Piero, nachdem er ein Glas Wein angenommen hatte. »Da wären natürlich die Vorbereitungen für die Festa della Sacra Cintola , aber man hat mich außerdem gebeten, den neugeborenen Sohn von Massimo di Corona zu segnen.« Die Miene des Prokurators überschattete sich. »Das Kind ist außer Gefahr, aber mit der Mutter sieht es sehr schlecht aus.«
    »Die arme Frau!«, sagte Spinetta. »Ich werde für sie beten.«
    »Ich habe eine Bitte, Schwester Spinetta.« Der Prokurator lächelte. Seine Zähne waren ein wenig schief, was ihm ein spitzbübisches Aussehen verlieh. »Wärst du so gütig, mich zu begleiten? Ich bin sicher, dass deine Gebete und dein Mitgefühl Kind und Mutter eine große Hilfe und ein großer Trost sein würden.«
    Spinetta schaute zögernd erst ihre Schwester, dann Fra Filippos Skizzen an.
    »Nun, Bruder Filippo wird dich doch sicherlich kurz entbehren können«, drängte der Prokurator. »Ich bin sicher, dass der Besuch einer Nonne der armen Frau gut tun würde. Es würde mir nie einfallen, dich von deinen Pflichten abzuhalten, aber ich wäre doch froh, wenn du mich begleiten würdest. Wir wären nicht lange weg.«
    Spinetta warf ihrer Schwester einen fragenden Blick zu. Diese nickte.
    »Es stimmt, Schwester«, sagte Lucrezia und hoffte, dass man ihr nicht anmerkte, was sie wirklich fühlte. »Mir kann hier bei Fra Filippo nichts zustoßen.«
    Spinetta schaute Fra Filippo an.
    »Wenn es Euch nichts ausmacht, dann würde ich gerne mitgehen. Mit dem Abschreiben der Ordensregeln bin ich ohnehin schon gut vorangekommen.«
    Der Mönch schaute Spinetta an, deren braune Augen rundere

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