Das Bildnis der Novizin
gewesen sein.«
»Wunderschön, ja«, flüsterte sie. Sie blickte auf und las tiefes Mitgefühl in seinen Augen.
»Mein Vater hat mir beigebracht, was Schönheit ist«, erklärte sie sehnsüchtig.
»Ja«, sagte der Mönch im Brustton der Überzeugung, »die Schönheit dieser Welt, die ein Spiegelbild von Gottes Himmelreich ist.«
Sie schauten einander an. Verlegen entzog sie ihm ihre Hände. Aber das, was beide nun spürten, brach etwas in Lucrezia auf und die Worte sprudelten nur so aus ihr hervor.
»Mein Vater kannte so viele Worte für Blau«, schwärmte sie. »Azur. Himmelblau. Nachtblau. Kein Stoff sah für ihn aus wie der andere.«
Sie erzählte ihm von dem leuchtend roten Betthimmel und dem Seidengürtel mit Goldspitze, den ihr Vater für die Aussteuer ihrer Schwester Isabella hatte anfertigen lassen.
»So schöne Stoffe«, seufzte sie, »so wunderschöne Stoffe. Mir tut das Herz weh, wenn ich nur daran denke.«
Sie beschrieb ihm die feine Webstruktur ihrer Kleider, ihr erstes Sommerkleid aus weißem Damast mit Blümchen aus Goldbrokat, das sie als Mädchen in Lucca getragen hatte.
Der Mönch stellte sich eine junge Lucrezia vor, die wie ein weißer Engel durch ihren Garten tanzte.
»Und jetzt«, sagte sie und warf einen traurigen Blick auf ihr schlichtes schwarzes Gewand, »jetzt gibt es nur noch das.«
Fra Filippo lächelte.
»Meine liebe Schwester Lucrezia«, sagte er mit kaum verhohlenem Entzücken – er war fast so zufrieden mit sich selbst, wie mit ihr -, »ich kann keine Jungfrau Maria in schwarzer Nonnentracht für den illustren Alfonso von Neapel malen. Er erwartet Samt und Seide und Perlen.«
Lucrezia musterte ihn misstrauisch. »Warum grinst Ihr so?«
Er grinste noch breiter. »Wenn du so gütig wärst und wenn es deine Schamhaftigkeit nicht zu sehr verletzt, würde ich mich freuen, wenn du mir in einem prächtigen Kleid, einem Kleid, das der Himmelskönigin angemessen ist, Modell stehen würdest. Wie viel einfacher wäre es für mich, das Gewand der Madonna zu malen, wenn ich echte Perlen vor Augen hätte, anstatt sie mir vorstellen zu müssen!«
»Aber das ist unmöglich!«, rief sie aus. »Ich habe all meine Kleider weggeben müssen.«
»Nicht unmöglich. Ich habe schöne Kleider hier in meinem Atelier, dank der Großzügigkeit meines Mäzens Cosimo de Medici.«
Der Mönch sah Lucrezia erbleichen und nahm sofort seinen Enthusiasmus an die Zügel.
»Es ist so Sitte, Lucrezia. Die meisten Maler bitten ihre Modelle, sich den Anforderungen entsprechend zu kostümieren.«
»Aber was für Gewänder würde die Heilige Jungfrau tragen? Und woher wollt Ihr wissen, dass sie mir auch passen?«
Fast schwindlig vor Aufregung beobachtete Lucrezia, wie Fra Filippo zu einer Holztruhe ging und daraus Gewänder hervorholte, in denen sich selbst eine florentinische Edeldame nicht hätte schämen müssen. Da war ein Kleid in feinstem Violett, die Ärmel mit winzigen Blümchen bestickt, die Säume mit weißer Seide unterlegt. Sie schnappte nach Luft, als ein zarter, perlenverzierter Haarkranz und ein hauchdünner Seidenschleier zum Vorschein kamen. Der Gedanke, wieder einmal kühle, glatte Seide auf ihrer Haut zu spüren, Stoffe, die fast kein Gewicht hatten, ließ sie vor Sehnsucht erschauern.
»O wie herrlich«, rief sie aus, entzückt über das Spiel der Sonne auf dem hauchdünnen Seidenschleier.
Der Mönch wagte es nicht, sie anzusehen, um nicht zu viel von seinen Gefühlen preiszugeben.
»Du würdest mir wirklich sehr helfen, wenn du das hier anziehen würdest.«
Sie nahm ihm das Kleid vorsichtig aus der Hand und hängte es sich über den Arm. Kranz und Schleier legte sie über ihre Handfläche.
»Verzeih, dass ich dir keinen angemesseneren Umkleideraum anbieten kann«, entschuldigte sich Fra Filippo und deutete auf den Vorhang, der den hinteren Teil seines Ateliers abtrennte, »aber du kannst dich hinter diesem Vorhang umziehen.«
Rasch, bevor sie noch ihre Meinung ändern konnte, schlüpfte Lucrezia hinter den Vorhang. Sie zog ihre Ordenstracht aus und stand im Unterhemd da. Von jähem Zweifel erfasst, tastete sie nach dem Silbermedaillon von Johannes dem Täufer, das sie in den Saum eingenäht hatte.
Auf der anderen Seite des Vorhangs zog Fra Filippo gerade etwas Schweres über den Boden seines Ateliers. Sie musste an ihren Vater denken. Wie er sie jetzt ansehen würde, der zornige Ausdruck in seinen dunklen Augen.
»Hör sofort auf damit«, hörte sie ihn streng
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