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Das Bildnis der Novizin

Titel: Das Bildnis der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Albanese Laura Morowitz Gertrud Wittich
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reichte ihr eine Kelle Wasser und die leerte sie ebenfalls.
    »Du musst dich jetzt ausruhen, Lucrezia. Du darfst dich nicht so überanstrengen, denn wenn wir schwach sind, sind wir den Versuchungen des Teufels ganz besonders ausgesetzt.«
    Lucrezia wollte die Alte fragen, ob sie je vom Teufel in Versuchung geführt worden sei, war jedoch zu müde. Sie schloss die Augen.
    Schwester Pureza sah, wie sich die Brust der Novizin unter zunehmend ruhigeren Atemzügen hob und senkte. Es war noch früh, und es würde ein heißer Tag werden.
    »Schlaf«, sagte sie, als Lucrezia mühsam die Augen zu öffnen versuchte.
    Sie beugte sich über die Novizin und löste ihren Schleier. Dabei musste die Alte an ihre erste Zeit im Kloster denken. Man hatte sie regelrecht dorthin verbannt, weil sie ein uneheliches Kind erwartete. Ihr Bauch war bereits unübersehbar gewesen. Sie war so verzweifelt, so beschämt gewesen, dass sie jeden Lebenswillen verloren und tagelang nur geschlafen hatte. Auch sie hatte sich, wie Lucrezia, gegen Gottes Willen gesträubt.
    Am Ende jedoch hatte sie eingesehen, wie weise er war, und sich gefügt.
    Ein Duft nach Kamille stieg von Lucrezias Haar auf, das nun offen über das Kissen fiel. Schwester Pureza tupfte die schweißnasse Stirn des Mädchens ab. Dabei wünschte sie, sie könnte dem Mädchen erzählen, wie sehr sie gelitten, wie sehr sie sich gegen ihr Schicksal gesträubt hatte. Aber die geheime Schande der Pasqualina di Fiesole war längst tot und begraben, ihre Seele als weise Schwester Pureza wiedergeboren worden. Nur die Äbtissin, ihre alte Weggefährtin, kannte ihre Vergangenheit.
    Und so sollte es auch bleiben.

10. Kapitel

    Am Montag der dreizehnten Woche nach Pfingsten, im Jahre des Herrn 1456
    F ra Filippo saß im Beichtstuhl, den leeren Blick auf den Vorhang gerichtet. Auch heute erkannte er jede der Nonnen an ihrem ganz besonderen Geruch: Schwester Camilla, die nach Staub und Kampfer roch, Schwester Maria nach Weizen und Rosmarin, Schwester Pureza nach Salbei, der die Luft von allem Übel reinigt. Schwester Simona mit ihrem schmerzenden Zahn hatte immer eine Nelke unter der Zunge, und die Äbtissin erkannte er an dem leichten Schwefelgeruch, der ihr vorausging. Er stammte von den Kerzen, die sie abbrannte, wenn sie bis spät in die Nacht über den Wirtschaftsbüchern des Klosters saß.
    Als jedoch ein Hauch von Kamille die Kabine erfüllte, wusste Fra Filippo sofort, dass Lucrezia gekommen war. Sein Herz schlug schneller, er strengte seine Augen an, um ihre Umrisse durch den Vorhang erkennen zu können. Er wusste, dass er ihr gegenüber nicht länger objektiv sein, seine Rolle als Beichtvater nicht mehr ordnungsgemäß erfüllen konnte.
    Er war einfach nur froh, ihr nahe sein zu dürfen.
    Lucrezia kniete sich hin. Ihr Blick ruhte auf dem farbbesprenkelten Saum von Fra Filippos Kutte, auf seinen großen Füßen, seinen ausgetretenen Sandalen. Es war das erste Mal, dass sie Gelegenheit hatte, mit ihm zu sprechen, seit sie ihn am vergangenen Donnerstag im Stich hatte lassen müssen.
    »Bruder, verzeiht, dass ich nicht kommen konnte«, flüsterte sie erregt. »Ich wollte Euch eine Nachricht zukommen lassen, aber es war unmöglich. Schwester Pureza bestand darauf, dass ich mich ausruhte, und sie hatte recht. Ich war so durcheinander, Bruder Filippo, und bin es immer noch.«
    Sie gab dem Mönch keine Gelegenheit, etwas zu sagen, redete sofort weiter. Sie hatte ihre Sorgen so lange allein mit sich herumgetragen, dass nun alles aus ihr hervorbrach.
    »Ich hätte die feinen Gewänder nicht anziehen dürfen, Bruder, das war ein großer Fehler. Nicht, weil Ihr mich darum gebeten habt, sondern weil sie mich vollkommen durcheinander gebracht haben. Sie haben Wünsche und Sehnsüchte nach einem anderen Leben in mir geweckt, ein Leben, das ich nicht länger haben kann. Bruder, bitte, ich habe Angst, damit eine große Sünde begangen zu haben.«
    Fra Filippo räusperte sich. Entschlossen, zumindest seiner Rolle als Lucrezias Beichtvater gerecht zu werden, wählte er seine Worte mit Sorgfalt.
    »Meine liebe Schwester Lucrezia, lass mich dir zunächst die Absolution für deine Sünden erteilen, im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.« Er hob die Hand und schlug in Höhe ihrer Stirn ein Kreuz. Dann fuhr er in sanfterem Ton fort.
    »Die Wege des Herrn sind unergründlich. Auch ich bin verwirrt.«
    Lucrezias Herz begann wild zu klopfen. Sie wurde von einem schwindelerregenden Glücksgefühl

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