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Das Bildnis der Novizin

Titel: Das Bildnis der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Albanese Laura Morowitz Gertrud Wittich
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die letzte sein«, sagte die Äbtissin kalt. »Wenn ihr ihre Pflichten zu anstrengend sind oder ihr Gewissen sie plagt, dann kann sie das ja bei der Beichte loswerden. Das wird sie läutern.«
    »Mag sein«, überlegte Schwester Pureza. »Aber der Mönch ist gleichzeitig ihr Beichtvater. Ich kann mir kaum vorstellen, dass sie in dieser Situation völlig frei sprechen kann.«
    Als Schwester Pureza die neugierigen Blicke der Mitschwestern bemerkte, kniff sie die Lippen aufeinander. Den Rest der Morgenandacht verbrachte sie schweigend. Als sie später die Kirche verließen, wich Lucrezia ihrem Blick aus.
    Zum Frühstück gab es an diesem Tag anstelle von Brötchen und verwässertem Wein schweres, saftiges Feigenbrot und eine Schüssel voll gekochter Eier.
    »Feigenbrot!«, rief Schwester Bernadetta entzückt aus und schlug sofort die Hand vor den Mund. Aber auch die anderen gaben ihrer Freude Ausdruck.
    »Dank sei dem Herrn, der uns mit allem versorgt, was wir brauchen, um ihm nach besten Kräften dienen zu können«, erklärte die Äbtissin von ihrem Platz am Kopfende der Tafel. »Für dieses in der Tat reichhaltige Frühstück danken wir jedoch nicht nur dem Herrn, sondern auch den Medici, die es uns in ihrer Großzügigkeit zum Namensfest des heiligen Bartholomäus gestiftet haben. Möge der Herr ihnen Gesundheit und ein langes Leben schenken. Lasset uns beten.«
    Bei der Erwähnung der Medici wandten sich alle Köpfe den Buti-Schwestern zu, und Lucrezia errötete heftig. Sie tastete unter dem Tisch nach Spinettas Hand und drückte sie tröstend. Von dem guten Essen nahm sie kaum einen Bissen zu sich. Sie war die Erste, die nach dem Aufheben der Tafel das Refektorium verließ.
    Schwester Pureza, die der bleichen Lucrezia nachblickte, wandte sich abermals an die Äbtissin.
    »Du wirst die beiden doch heute nicht zu dem Maler gehen lassen, oder?«, sagte sie. »Du siehst doch, wie blass Lucrezia ist. Und lass uns nicht vergessen, dass sie immer noch in Trauer ist; ihr Vater ist erst vor wenigen Monaten verstorben.«
    Die Miene der Äbtissin verfinsterte sich. Schwester Pureza hatte natürlich recht. Andererseits hatte sie mit Ser Francesco vereinbart, dass die Schwestern bis zur Feier des Heiligen Gürtels jeden Dienstag und Donnerstag zum Atelier des Malers gebracht werden würden. Sie hatte die Gaben der Medici nur zu bereitwillig angenommen, und solange der Heilige Gürtel unter ihrem Bett lag, konnte sie die Eskorte schlecht wegschicken, wenn sie kam, um die Schwestern abzuholen.
    »Schwester Lucrezia ist nicht in der Verfassung für einen Ausgang«, fuhr Schwester Pureza störrisch fort. »Vielleicht ist es besser, wenn sie heute im Kloster bleibt. Ich kann ihr einen Trank mischen, der sie wieder zu Kräften kommen lässt. Und wenn unser Kaplan den heutigen Tag in Andacht verbringt, wie er es tunlichst sollte, wird er sie bestimmt nicht vermissen.«
    Die Äbtissin nickte nachdenklich. Ihre alte Freundin hatte recht. Wenn die Eskorte kam, würde sie dem Mann eine kurze Notiz an den Mönch mitgeben, in der sie ihm mitteilte, dass Lucrezia das Kloster an diesem Tag nicht verlassen würde.
    Aufgewühlt wartete Lucrezia im Garten auf Schwester Pureza. Alles stand nun in voller, spätsommerlicher Blüte, der Bienenbalsam hatte seine ganze Pracht entfaltet und auch der Koriander begann bereits auszusamen. Sie ging in die Hocke und pflückte ein Blättchen Eisenkraut, an dem sie genießerisch schnupperte.
    »Guten Morgen, Schwester Pureza.« Die Novizin erhob sich.
    Die alte Frau nickte. Ihre Augen waren voller Güte, aber auch nicht ohne Strenge. Ihnen schien so leicht nichts zu entgehen.
    »Schwester Lucrezia, ich fürchte, wir haben in der kurzen Zeit, seit du hier bei uns bist, zu viel von dir verlangt.« Sie nahm die Novizin sanft beim Arm. »Auch der Mutter Oberin ist deine Erschöpfung aufgefallen und wir halten es für das Beste, wenn du heute im Kloster bleibst und nicht zu dem Maler gehst.«
    Lucrezia hielt den Atem an. Sie befürchtete, sich durch ein Wort, eine Reaktion zu verraten.
    »Es stimmt, ich bin schrecklich müde, Schwester«, sagte sie schließlich, ohne die Ältere anzusehen. »Aber unser Kaplan hat gesagt, der große Cosimo de Medici müsse das Altarbild in einem Jahr haben, damit er es dem König von Neapel rechtzeitig zum Geschenk machen könne. Und wenn so viel von unserem Kaplan verlangt wird, bin ich gerne bereit, ebenfalls ein paar Opfer zu bringen.«
    »Weltliche Angelegenheiten sind für

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