Das Bildnis der Novizin
erfasst. Er empfand genauso! Mit angehaltenem Atem wartete sie darauf, dass er weitersprach.
Zärtlich, vielleicht zärtlicher, als ihm dies selbst bewusst war, fuhr er fort. »Ich kann nicht so tun, als würde mich deine Schönheit kalt lassen. Ich fürchte, ich bin nicht mehr der Richtige, um dir den geistlichen Beistand zu geben, den du brauchst.«
Lucrezia schloss die Lider. Rote Flecken tanzten vor ihren Augen.
»Was wollt Ihr damit sagen, Bruder? Soll das heißen, dass es falsch von mir war, Euch in den schönen Gewändern Modell zu stehen?«
»Gewiss nicht«, beeilte sich Fra Filippo ihr zu versichern. »Auch andere haben mir in angemessenen Gewändern Modell gestanden, um mir meine Arbeit – die Verherrlichung der Jungfrau Maria – zu erleichtern.«
Lucrezia schnappte nach Luft. »Andere?«, stieß sie erstickt hervor. »Es gab noch andere?« Sie riss die Augen auf. Ihr Blick fiel auf seine Füße, auf die harten, gekrümmten Zehennägel, und sie empfand flüchtigen Ekel.
»Eine wie dich gab es noch nie«, stammelte er. »Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll, was fühlen. Auch ich bin durcheinander. Ich fürchte, ich kann meine Rolle als dein Beichtvater nicht mehr guten Gewissens fortsetzen. Ich werde den Prokurator bitten, dir in Zukunft die Beichte abzunehmen. Das ist das Beste, Schwester Lucrezia. Bitte, lass uns dieses Gespräch nun beenden.«
Lucrezia blinzelte, aber in der Kabine war es auf einmal furchtbar dunkel. Schwarze Flecken tanzten vor ihren Augen.
»Verzeih, es ist zu deinem Besten«, sagte er. »Und jetzt geh hin in Frieden.«
Lucrezia schlüpfte durch den Vorhang und aus dem Beichtstuhl. Sie wagte nicht, sich noch einmal umzudrehen.
Der Prokurator stand an Fra Filippos Bett, eine Skizze von Lucrezia in der Hand.
»Du bist in Versuchung, Filippo, das ist nicht zu übersehen«, sagte Fra Piero. »Wach auf, wir müssen miteinander reden.«
Fra Filippo schlug die Augen auf. Der Duft nach Kamille war verschwunden, das Gesicht der Novizin ebenso. Er hatte geträumt, dass der trennende Beichtstuhlvorhang sich in Luft auflöste und er in das schöne Gesicht der Angebeteten blickte. Gerade hatte er die Hand ausgestreckt, um ihre weiche Wange zu streicheln, als ihn der rüde Weckruf ereilte. Er starrte in Pieros schmales Gesicht. Über seinem Kopf, an der Wand der winzigen Schlafkammer, hing ein Kruzifix.
»Geh zum Teufel«, brummte der Mönch und schlug mit der Pranke nach seinem Freund, der geschickt auswich und an der Strohmatratze des Malers zog.
»Jetzt komm schon, Filippo, hopp, hopp. Leugnen hilft nichts, ich bin nicht blind. Du begehrst die Novizin, Filippo.«
Der Prokurator wedelte mit der Skizze, hielt sie ins Licht. Lucrezias Antlitz war atemberaubend. Dem Maler war es gelungen, ihre ganze Seele, den Glanz ihrer Augen einzufangen.
»So verbringst du also deine Zeit – du streichelst das Mädchen mit dem Silberstift, verführst sie mit deiner Zeichenfeder.«
Fra Filippo wälzte sich aus dem Bett, bediente sich seines Nachttopfs, nahm seine Kutte vom Haken und schlüpfte hinein.
»Kaum bin ich mal zwei Monate weg, hast du dich schon wieder in Schwierigkeiten gebracht«, sagte Fra Piero, der sich rücksichtsvoll abgewandt hatte. »Hast du schon vergessen, was war? Ich jedenfalls nicht. Ich war dabei, in Florenz und auch in Legnaia. Wenn du so scharf auf ein Weib bist, dann will ich dir jemanden suchen, der weniger riskant, weniger auffällig ist.«
Der Mönch rieb sich zornig übers Gesicht.
»Ich will keine Hure«, knurrte er. »Wie kannst du es wagen, die Jungfrau von Prato mit einer Hure aus den Straßen von Florenz zu vergleichen?«
»Beruhige dich, Filippo«, sagte der Prokurator. »Wir sind Männer, wir haben unsere Bedürfnisse. Ich bin in der Welt herumgekommen, ich weiß, wo sich die werte Geistlichkeit mit Bauernmädchen, Kurtisanen und, ja, auch mit Knaben vergnügt.«
Fra Filippo zog eine Grimasse. Er wusste, dass es Mönche gab, die Knaben oder Männer den weichen Kurven einer Frau vorzogen, war aber noch nie einem begegnet, der dies zugegeben hätte. Und er war froh darüber.
»Ich sehe, wie du ihr Gesicht zeichnest.« Fra Piero fuhr herum und wies auf die Skizze in seiner Hand. »Wenn du deine Fleischeslust schon nicht bestreiten kannst, dann versuch wenigstens, sie besser zu verbergen.«
»Das ist es ja gerade.« Der Mönch stützte erschöpft seine Ellbogen auf die Knie. »Ich fürchte, dies ist weit mehr als bloße Fleischeslust, mein
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