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Das Bildnis der Novizin

Titel: Das Bildnis der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Albanese Laura Morowitz Gertrud Wittich
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Nonnen, deren weiße Gesichter ebenso scharf mit dem dunklen Stoff ihrer Tracht kontrastierten.
    Auf der Piazza herrschte lebhaftes Treiben: Pferde trotteten vorbei, aus einer Metzgerei roch es nach Geräuchertem, ein paar junge Hunde jagten kläffend hinter einem Huhn her. Wagenräder ratterten übers Kopfsteinpflaster, aus den Schmieden und anderen Werkstätten ertönte lautes Hämmern und aus den engen, verwinkelten Gassen drang das flinke Getrappel nackter Jungenfüße. Männer und Frauen eilten mit Bündeln auf Schulter oder Rücken vorbei, zerrten Karren hinter sich her und unterhielten sich lautstark. Vor ihnen ragte dramatisch die grün-weiß gestreifte Basilika auf.
    »Wie schön!«, rief Spinetta aus und legte, die Augen mit einer Hand vor der Sonne beschirmend, den Kopf in den Nacken. »Ein Bauwerk, das der Herrlichkeit Gottes würdig ist.«
    Fra Filippo führte sie an der Südseite des Stadtplatzes entlang und deutete dann hinauf zu einer kleinen Kanzel, die sich aus den Mauern der Kathedrale herausschälte.
    »Dort oben, das ist die Kanzel des Heiligen Gürtels. Sie wurde von Donatello und Michellozo entworfen.« Er wusste, dass den florentinischen Schwestern die Namen der beiden Künstler bekannt sein mussten. »Propst Inghirami wird am Tage der Feier des Heiligen Gürtels dort oben stehen und den Gürtel zeigen.«
    Sie gingen zum Hauptportal zurück und betraten die Kathedrale. Die drei bekreuzigten sich und blieben einen Moment stehen, um ihre Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen. Der Lärm und die Hektik der Piazza drangen nur noch wie aus weiter Ferne zu ihnen. Es roch nach Weihrauch.
    Auf ihrem Weg durchs kühle Hauptschiff kamen sie an Frauen vorbei, die betend auf den Bänken knieten. Irgendwo weinte ein Säugling in den Armen seiner Mutter.
    Sie bogen ins Querschiff ein und blieben vor einer kleinen Seitenkapelle stehen, deren Eingang mit einem kunstvollen Bronzegitter versperrt war. Fresken zierten das Gewölbe der Kapelle, und hinter dem Altar fiel durch ein rundes Buntglasfenster Licht herein.
    »Die Kapelle des Heiligen Gürtels«, erklärte Fra Filippo. »Die Fresken stammen von Agnolo Gaddi, dem Sohn des florentinischen Künstlers Taddeo Gaddi.«
    Die Schwestern umfassten die verschnörkelten Streben des Gitters und spähten ehrfürchtig hinein. Der Mönch machte sie auf eine wertvolle Goldschatulle aufmerksam, die auf dem Altar stand.
    »Der heilige Gürtel der Madonna!« Spinetta schnappte nach Luft. Sie und Lucrezia hatten schon viel von dem Fest gehört, das in Kürze ganz Prato in einen Taumel versetzen würde, genau gesagt, am Tag von Mariä Geburt, dem 8. September.
    »Man sagt, der Gürtel schütze besonders Frauen, die guter Hoffnung sind«, murmelte Lucrezia. Abermals durchfuhr sie ein Stich der Enttäuschung bei dem Gedanken, dass sie selbst nie Kinder gebären würde, wie es von der Natur vorgesehen war.
    »Ich habe gehört, dass die Berührung des Gürtels besonders segensreich sei«, sagte Spinetta ehrfürchtig. »Und dazu werden wir am Tag der Feier Gelegenheit haben.«
    Nachdem die Schwestern ein kurzes Gebet gesprochen hatten, folgten sie Fra Filippo zur Apsis. Er machte sie unterwegs auf die mit kostbaren Schnitzereien verzierten Beichtstühle aufmerksam und blieb kurz vor einer Holzstatue der Muttergottes mit Kind und einer anderen, der heiligen Elisabeth, stehen. Dann erreichten sie den Hochaltar, der zur Feier des Pfingstfestes mit einem roten Tuch gedeckt war. Sie umgingen den Altar und betraten den Kapellenkranz.
    Ihre Augen brauchten einen Moment, um sich an den hellen Sonnenschein in der Hauptkapelle zu gewöhnen, der durch das nackte Fenster hereinfiel. Die Schwestern staunten über die hohen Gerüste, auf denen Männer mit Farbeimern und Werkzeugen herumliefen. Fra Filippo nickte seinen Helfern zu, die diesen Gruß erwiderten, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen. Tomaso und der junge Marco standen auf einem niedrigen Gerüst und malten die sorgfältig vorgezeichneten Blätter eines Baums aus. Dabei unterhielten sie sich leise. Unweit von ihnen stand Giorgio, ein anderer Schüler, und tupfte mit einem feinen Pinsel Weiß auf die Felsen der Stephanus-Szene.
    Fra Filippo war einige Tage nicht hier gewesen und wollte nun sehen, wie weit man in dieser Zeit vorangekommen war. Fra Diamante, sein Lieblingsschüler, hatte in seiner Abwesenheit die Leitung übernommen und dafür gesorgt, dass eine erste Farbschicht auf den in Arbeit befindlichen Szenen aufgebracht wurde. Als

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