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Das Bildnis der Novizin

Titel: Das Bildnis der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Albanese Laura Morowitz Gertrud Wittich
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unserem Kloster leuchten, bitte hilf mir – steh uns bei, Heilige Jungfrau Maria!«
    Die Äbtissin verharrte den ganzen Vormittag auf den Knien vor ihrem Bett. Sie beachtete weder die Gebetszeiten noch reagierte sie, wenn jemand mit einem Anliegen oder einer Frage an die Tür ihrer Zelle klopfte. Erst als die Stimme ihrer alten Freundin, Schwester Pureza, durch die Tür drang und sie besorgt fragte, ob sie krank sei und einen Heiltrank benötige, ließ sie sich zu einer kurzen Antwort herab.
    »Nein«, rief sie, »lasst mich in Ruhe, ich brauche Zeit für meine Gebete.« Der Schweiß rann ihr aus dem grauen Haar und in die Augen.
    Sie ignorierte auch die Glocke an der Klosterpforte, die an diesen Tagen natürlich öfter läutete als sonst. Der Milchmann kam zweimal, um Milch und Sahne abzuholen, anstatt wie sonst nur im Morgengrauen, und auch der Müller brachte auf Bitten von Schwester Simona extra Mehl und Hafer. Der Äbtissin blieben nur noch zwei Tage, bevor sie den Gürtel wieder zurückgeben musste, und noch hatte er kein Wunder bewirkt.
    Aus Sorge, man könne sie mit einer Fälschung hereingelegt haben, öffnete sie die Truhe und nahm ehrfürchtig den Gürtel heraus. Behutsam strich sie über den weichen, abgenutzten Seidenstoff, die geflochtene Schnalle, mit der die Muttergottes den Gürtel um ihren Leib geschlossen hatte. Nun, er sah jedenfalls echt aus, dachte sie. Aber fühlen konnte sie nichts.
    Lucrezia arbeitete traurig im Klostergarten, pflückte Rosmarin, dessen stachelige Zweige in ihre zarten Fingerspitzen stachen. Aus der Kirche drang der Gesang der Mitschwestern, die ihre Psalmen übten. Sie war froh, dass man sie davon entbunden hatte, war es doch zu spät für sie, die Gesänge in so kurzer Zeit bis zum Fest zu lernen. Sie hielt sich ohnehin lieber im Garten auf, wo saftig grüner Farn wuchs und wo sie mit ihren Gedanken allein sein konnte.
    Wo keine anderen Anforderungen an sie gestellt wurden, als Unkraut zu jäten und Pflanzen zu beschneiden.
    Sie schnitt gerade ein Rosmarinsträußchen ab, als plötzlich der Schatten der Mutter Oberin auf sie fiel.
    »Schwester Lucrezia, ich möchte dir den Generalabt des Augustinerordens, Ludovico di Saviano, vorstellen.«
    Lucrezia wischte sich hastig die Hände an ihrer Tracht ab und erhob sich. Da die Äbtissin die Sonne im Rücken hatte, konnte sie nur ihre Umrisse erkennen. Neben ihr stand ein großer Mann, dessen Züge sie im Gegenlicht vage ausmachen konnte. Aus dem erstklassigen Schnitt seiner schwarzen Robe und seiner hohen Kopfbedeckung ließ sich auf seine gehobene Position schließen. Lucrezia senkte züchtig den Blick.
    »Gott zum Gruß, Monsignore«, murmelte sie.
    »Bist du die Novizin, die Bruder Filippos Atelier besucht hat?«, fragte er scharf.
    Lucrezias Herz begann wild zu klopfen. Sie warf einen hilfesuchenden Blick auf die Äbtissin, doch deren Kopf war gesenkt, und ihr Schleier verbarg ihre Züge.
    »Du brauchst gar nicht so zur Mutter Oberin hinzusehen«, sagte der Generalabt schroff. »Sie hat mich bereits über alles informiert. Ich möchte nur sichergehen, dass du willig gingst und nicht kompromittiert wurdest.«
    Der Mann bewegte den Kopf, während er sprach, und schließlich verdeckte er für einen Moment die Sonne, so dass Lucrezia sein schmales Gesicht, den zornigen Ausdruck in seinen Augen erkennen konnte. Er war ganz anders als der Maler: ein strenger, asketischer Mann, der seine gehobene Stellung wie ein Banner vor sich hertrug.
    Lucrezia brachte kein Wort hervor, nickte nur.
    »Möchtest du mir irgendetwas über den Mönch oder über die Umstände deiner Besuche bei ihm sagen?«
    Sie musste an die Werkstatt denken, an den goldenen Heiligenschein der Madonna, an die raschen, tranceähnlichen Striche des Malers, mit denen er das Pergament gleichsam liebkost hatte.
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Nichts?«, erkundigte sich der Generalabt, diesmal mit einem Anflug von Freundlichkeit.
    Sie schwieg, zwang sich, ruhig zu bleiben, nicht zu erröten. Die drei standen einen Moment wortlos beisammen und lauschten den Gesängen, die aus der Kirche drangen. Als der Mann das Wort wieder ergriff, sprach er laut und klar. Es war offensichtlich, dass er gebildet war, studiert hatte.
    »Ich heiße dich herzlich willkommen im Kloster, Schwester Lucrezia. Ich werde dich in meine Gebete mit einschließen.«
    Damit wandte er sich ab und ging mit langen Schritten davon. Die Mutter Oberin musste sich beeilen, um ihm nachzukommen.
    »Äbtissin

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