Das Bildnis der Novizin
detaillierte Skizze des Altarbilds für Alfonso. Auf dem Mittelpaneel prangte das schöne Gesicht der Novizin, die er heute früh kennengelernt hatte. Sie war kniend abgebildet, in einem herrlichen Kleid, das ihr zartes Schlüsselbein enthüllte, die schlanken Arme in mit winzigen, mit Blümchen bestickten Ärmeln, das goldene Haar von einem feinen Netz zusammengefasst. Die Züge entsprachen bis ins kleinste Detail denen von Schwester Lucrezia, doch waren sie mit solcher Liebe ausgeführt worden, dass sie geradezu überirdisch schön wirkte.
Der Generalabt war schockiert, Fra Filippo konnte es nicht übersehen.
»Ich habe jetzt ernsthaft mit der Arbeit an dem Altarbild begonnen«, beeilte er sich, den Generalabt abzulenken. »Die Medici haben Druck auf mich ausgeübt, und Äbtissin Bartolommea war so gütig, mir eine ihrer Novizinnen als Modell zu überlassen, damit ich schneller mit meiner Arbeit vorankomme.«
»Allerdings, Bruder Filippo, das sehe ich. Ich weiß, dass Schwester Lucrezia mehrmals hierher gekommen ist – was in der Nachbarschaft nicht unbemerkt bleiben konnte.«
Der Mönch wollte etwas sagen, doch Saviano fuhr ihm über den Mund. »Ich hatte heute das Vergnügen, die Bekanntschaft der Novizin zu machen«, sagte er laut.
Der Maler war bemüht, sich seinen Schrecken nicht anmerken zu lassen.
»Dann wundert es Euch sicher nicht, dass ich sie zu meinem Modell erwählt habe. Sie gibt eine hervorragende Jungfrau ab.«
»Gewiss«, stimmte ihm der Generalabt zu. »Aber sie hier, in Eurem Atelier, zu malen, ist höchst unschicklich. Ihr gebt meinen Orden der Lächerlichkeit preis. Das werde ich nicht zulassen.«
»Ich habe nichts Falsches getan, nichts Unschickliches«, protestierte der Mönch. »Ich habe, auf Bitten der Medici, mit der Arbeit an einem ganz besonderen Altarbild begonnen, das die Schönheit und Tugend der Jungfrau Maria verherrlicht. Die äußere Schönheit der Novizin ist doch nur ein Spiegel ihrer inneren Reinheit und Tugendhaftigkeit.«
»Filippo, gerade Ihr, als Ordensmann, dürft Euch keinerlei Indiskretion mehr erlauben. Meine Geduld mit Euch ist zu Ende, merkt Euch das.«
Fra Filippo hatte gewusst, dass Lucrezias Besuche in seiner Werkstatt einmal vorbei sein würden; der Generalabt verkündete nur das Unausweichliche. Und obgleich er das Gefühl hatte, als wolle ihm das Herz brechen, konnte er nichts tun, als sich dem Willen des Mächtigeren zu beugen. Selbst der Einfluss der Medici reichte nur so weit, Lucrezias Antlitz für das Gemälde zu sichern, und es war unübersehbar, dass ihm das mehr als gelungen war.
»Euer Wille geschehe, Monsignore. Ich werde die Novizin nicht mehr hier empfangen.«
Zufrieden und erschöpft von dem langen Vormittag, der hinter ihm lag, wandte sich der Generalabt zum Gehen. Da fiel sein Blick auf einen lila Stoff, der aus einer Truhe hing. Mit flatternder Robe eilte er zu der Truhe und klappte sie auf. Darin lag ein lila Kleid mit geblümten Ärmeln. Mit spitzen Fingern hob er das Gewand heraus. Ein Paar Seidenstrümpfe und ein Haarnetz fielen aus den Falten.
Der Generalabt fuhr herum, starrte das Medici-Bild an, dann das Kleid. Einmal. Noch einmal. Sein Gesicht nahm einen Farbton an, der dem des Kleides sehr ähnelte.
»Ah, jetzt verstehe ich«, stieß er bedrohlich leise hervor. Er hielt das Haarnetz an seine Nase und sog den zarten Kamilleduft ein.
»Ihr versteht gar nichts«, fauchte Fra Filippo, unendlich frustriert. »Was versteht Ihr schon?«
Der Generalabt hielt das Haarnetz vor das Gemälde. Dann auch das Kleid und das weißseidene Unterkleid, liebkoste sie wie die nackte Haut einer Frau.
»Ihr seid noch gerissener, als ich Euch zugetraut hätte, Bruder Filippo. Ich hoffe, Ihr habt es genossen, solange es dauerte.«
Der Mönch fuhr zornig auf.
»Ich malte sie zum Ruhme von Florenz.« Er griff nach den Gewändern.
Der Kleriker blähte die Nüstern wie ein Hengst vor einem Rennen und zog die Hand, in der er die Gewänder hielt, zurück.
»Ihr irrt Euch«, sagte Fra Filippo und entriss sie ihm wütend. »Was Ihr denkt, ist falsch.«
»Es geht nicht darum, was ich denke, Bruder«, sagte Saviano, der nun Schulter an Schulter mit dem Mönch stand, »es geht darum, was in Euch vorgeht. Dies wird nicht ungestraft bleiben, darauf könnt Ihr Euch verlassen.«
Wütend starrte der Mönch der entschwindenden Gestalt des Generalabts nach, der mit einem lauten Knall die Tür hinter sich zuschlug. Ein Becher, der auf der Staffelei stand,
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