Das Bildnis der Novizin
Bartolommea«, sagte der Generalabt mit kaum verhohlener Verachtung, »ich kann Eure unkonventionellen Praktiken nur aufs Höchste missbilligen. Wenn mich Propst Inghirami nicht informiert hätte, dann hätte ich keine Ahnung gehabt, was hier vorgeht – dass Ihr den Novizinnen erlaubt, das Kloster zu verlassen und in die Stadt zu gehen.«
Die Äbtissin blickte zu dem großen Mann auf, doch alles, woran sie denken konnte, waren das versprochene Altarbild für die Kirche und die kleine Truhe unter ihrem Bett.
»Ich versichere Euch, dass diese Dinge nicht in meiner Hand lagen«, stammelte sie. »Ich folgte nur einer dringenden Bitte der Medici.«
»Ihr hättet dennoch zu mir kommen müssen. Das hätte allein schon der Respekt verlangt.«
»Selbstverständlich«, stieß die Äbtissin atemlos hervor, »ich bitte vielmals um Entschuldigung, Monsignore.«
»Nun, ich gehe davon aus, dass Eure Privatgeschäfte mit den Medici hiermit beendet sind.«
»Vielleicht«, stammelte die Äbtissin, die wusste, dass der Medici-Bote morgen noch einmal kommen würde, um den Gürtel abzuholen. Sie hatte eine Heidenangst davor, dass der Generalabt glauben könnte, sie würde ihn erneut hintergehen. »Wir verfolgen noch andere Geschäfte mit den Medici, Monsignore.«
»Was für andere Geschäfte könnten das bitteschön sein?«, fauchte Saviano. »Santa Margherita ist unser kleinstes, unbedeutendstes Kloster. Was könnte Cantansanti schon von euch wollen?«
»Wir haben für ihn gebetet«, improvisierte die Äbtissin zittrig.
Saviano starrte sie verblüfft an.
»Ja, wir haben um die rechtzeitige Fertigstellung des Altarbilds für den König von Neapel gebetet, auf dass der Frieden zwischen den Regionen auch weiterhin erhalten bleibe.«
Der Generalabt wandte sich mit einem verächtlichen Kopfschütteln ab und winkte seine Kutsche herbei.
»Dann sorgt dafür, dass dies auch bei den Seelen, die Euch hier anvertraut wurden, so bleibt«, sagte er zum Abschied. »Darum solltet Ihr beten.«
Fra Filippo wurde durch ein ungeduldiges Klopfen aus seiner Arbeit gerissen.
»Warte!«, rief er ungehalten, wischte sich die Hände an seiner Schürze ab und schob seinen Hocker zurück. »Einen Moment.«
Das war sicher Niccolo, der Metzgerjunge, der ihm seine monatliche Lieferung Ochsenknochen vorbeibrachte, die er fein mahlte und als Bindemittel für seine Farben verwendete.
Ergrimmt über die Störung, riss Fra Filippo die Tür auf.
Vor ihm stand Ludovico di Saviano, Generalabt des Augustinerordens. Ein Windstoß brachte seine schwarze Robe zum Flattern und fuhr ihm ins kurze, graumelierte Haar.
»Warten?«, fragte er eisig. »Worauf sollte ich warten?«
»Verzeihung, Monsignore«, sagte Fra Filippo, der sich nur mühsam von seiner Überraschung erholte. »Verzeihung und herzlich willkommen.«
Er trat rasch beiseite und ließ den Generalabt herein. Hätte er doch bloß gewusst, dass der Mann kam, dann hätte er die Skizzen und Bilder, auf denen Lucrezia zu sehen war, weggeräumt.
»Ich war ganz in meine Arbeit vertieft und habe keine Besucher erwartet, Monsignore. Aber Ihr seid mir natürlich immer willkommen.«
»Gut, gut«, sagte Generalabt Saviano mit kaum verhohlener Ungeduld. »Und wie geht Eure Arbeit voran, Fra Filippo?«
Das war eine Falle, das wusste der Maler genau. Der Mann wollte, dass er sich, durch was auch immer, verriet. Der Mönch überlegte sich seine Antwort sorgfältig.
»Ihr meint die Fresken im Stefansdom?«, fragte er dann, nicht weniger gerissen. »Die Arbeit geht leider ziemlich langsam voran, aber da ich jetzt zwei neue Assistenten habe, geht es, Gott sei Dank, wieder etwas schneller.«
»Neue Assistenten?« Saviano schüttelte den Kopf. »Aber der Propst hat mir gesagt, Euer Budget reicht gerade für zwei, Filippo. Ihr werdet die anderen umgehend entlassen.«
Fra Filippo erstarrte. Er hatte, einschließlich des jungen Marco und Fra Diamante insgesamt vier Assistenten, die alle direkt von der Stadt Prato bezahlt wurden, wie es im Vertrag stand.
»Aber ich habe gehört, dass noch andere Angelegenheiten von Interesse in Santo Stefano vor sich gehen.« Der Kleriker ging im Atelier umher, strich mit der Hand über den wuchtigen Tisch, auf dem die Farbtöpfe und Vorräte des Malers standen. »Wie ich sehe, habt Ihr auch hier jede Menge zu tun.«
Der scharfe Blick des Generalabts huschte über einen Topf mit eingetrockneter grüner Farbe, schmutzige Lappen, Pergamentstapel. Dann fiel sein Blick auf die
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