Das Bildnis der Novizin
ihrem langen Nonnenleben festgestellt hatte, eine Krankheit, an der viel zu viele Kirchenmänner litten.
»Ja. Er hat mich über den Kaplan ausgefragt.« Lucrezia vermied es, den Namen des Malers auszusprechen, weil sie wusste, dass sonst eine verräterische Röte in ihre Wangen gestiegen wäre. »Er wirkte aufgebracht.«
»Aufgebracht?« Schwester Pureza beugte sich verwirrt vor.
Lucrezia, die der entschwindenden Gestalt nachblickte, wurde unvermittelt von einer bösen Vorahnung erfasst. Aber sie war ja hier, im Garten, und Schwester Pureza war bei ihr. Was konnte da schon passieren?
»Ach nein, Schwester«, sagte sie deshalb, »ich übertreibe. Er war wohl einfach nur in Eile. Wir haben nur ein, zwei Sekunden gesprochen, dann war er wieder weg.«
»Nun gut«, sagte Schwester Pureza. »Wir haben im Moment auch an wichtigere Dinge zu denken: die anstehende Geburt im Valenti-Palazzo. Nach der Tertia packst du zusammen, was du brauchst. Du musst zum Aufbruch bereit sein, wenn wir gerufen werden.«
Nach Sonnenuntergang kam Schwester Pureza Lucrezia holen. Rasch stiegen sie in die bereitstehende Kutsche, die Ottavio de Valenti ihnen geschickt hatte. Die Straßen waren menschenleer und so traf man rasch beim Palazzo des Kaufmanns ein, der einen ganzen Block in der Via Banchelli einnahm.
Ein Dienstbote mit einer blauen Kappe trat an den Kutschenschlag und führte die beiden Nonnen durch eine bescheidene Hintertür in den Palazzo. Sie durchquerten eine riesige, geschäftige Küche, in der trotz der warmen Witterung ein mächtiges Herdfeuer loderte und die weiß verputzten Wände in einen warmen, orangeroten Schimmer tauchte.
Sie folgten einer gebeugten alten Dienerin eine Treppe hinauf zu den Privatgemächern der Familie. Kerzen brannten in an den Wänden befestigten Lüstern. Schließlich betraten sie die luxuriösen Privatgemächer der Valentis und wurden in Signora Teresas prächtig ausgestattete Geburtskammer geführt.
»Maria sei Dank«, rief die Signora, kaum dass sie die Nonnen erblickte. Das Gesicht rot und schweißglänzend, saß sie, gestützt von einem Berg aus Kissen, aufrecht im Bett. Außer den Nonnen waren noch fünf weitere Frauen anwesend: zwei Bedienstete, zwei Verwandte, sowie die Hebamme, die sich bis zu diesem Zeitpunkt um die Signora gekümmert hatte. Signora Teresa, deren Leib sich mächtig unter der extra angefertigten weißen Geburtsdecke wölbte, blickte den Ankommenden unter ihrem Geburtshäubchen verzweifelt entgegen. Ein Ächzen entrang sich ihr.
»Gott sei Dank, Schwestern«, rief sie, »mein Wasser ist bereits abgegangen.«
Lucrezia schaute sich unter dem Schutz ihrer langen Wimpern verstohlen in der Kammer um. Man hatte weder Kosten noch Mühen gescheut, um der Mutter den Zwangsaufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. In einer Ecke stand eine riesige, mit kostbaren Schnitzereien verzierte Truhe, darauf ein prächtiger Wasserkrug. Das riesige Bett wurde von edlen, goldseidenen Vorhängen umrahmt, derselbe Stoff zierte auch die Fenster. Neben dem Bett stand, auf einem Ehrenplatz, der Geburtsstuhl. Am anderen Ende des Raums befand sich eine weitere Truhe, der Deckel zurückgeklappt, und Lucrezia sah darin kostbarstes weißes Linnen und weiße Betttücher blitzen.
»Schwester Pureza«, keuchte Signora Teresa, wurde dann jedoch von einer Wehe erfasst, die ihr den Atem raubte.
Als Schwester Pureza das sah, übernahm sie sofort die Führung. Sie holte ein Salbeisträußchen aus ihrer Hebammentasche, brannte es an einer Kerze an, blies die Flamme aus und befahl Lucrezia, mit dem heftig qualmenden Sträußchen im Raum umherzugehen und zu räuchern, vor allem um das Bett herum. Lucrezia war nur zu froh, etwas tun zu können. Den Blick ängstlich von der Gebärenden abgewandt, schritt sie um das Bett herum, wobei sie nicht umhin konnte, deren sauren, scharfen Schweiß, der sich mit dem Duft ihres Lavendelwassers mischte, einzuatmen.
»Heilige Maria«, stöhnte die Gebärende.
»Betet das Ave Maria «, befahl Schwester Pureza, »lenkt Eure Gedanken aufs Gebet.«
Die Wehen lagen nur mehr wenige Minuten auseinander. Schwester Pureza machte sich Sorgen. Die jüngere Hebamme kniete in einer Ecke, in der Hand eine Geburtszange.
»Heilige Maria, Muttergottes!«, schrie die Gebärende. Das Haar klebte ihr schweißnass am Schädel, sie biss die Zähne zusammen. Mit einem Mal schoss ein Schwall dunklen, dicken Bluts zwischen den Schenkeln der Signora hervor.
Schwester Pureza nahm rasch ein
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