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Das Bildnis der Novizin

Titel: Das Bildnis der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Albanese Laura Morowitz Gertrud Wittich
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angewärmtes Tuch und holte gleichzeitig ein Fläschchen aus ihrer Tasche. Sie wärmte ihre Hände kurz am Feuer und rieb sie dann mit einem angenehm duftenden Öl aus dem Fläschchen ein. Sie hatte ihr Exemplar der Practica Secundum Trotam dabei, doch war es Jahre her, seit sie es zum letzten Mal gebraucht hatte. Sie wusste genau, wo und wie sie die werdende Mutter anfassen musste, wie und womit sie das Perineum einzureiben hatte, an welchen Stellen sie den Bauch der Gebärenden zu massieren hatte, um dem Kind durch den Geburtskanal zu helfen.
    Gelassen und selbstbewusst machte sie sich an die Arbeit, überprüfte mit ihren Fingern, wie weit sich der Muttermund bereits geöffnet hatte, zählte Abstand und Dauer der Wehen, presste die warmen, erfahrenen Hände auf den schwangeren Leib. Signora de Valenti ächzte, ihr ganzer Körper zog sich zusammen, ihr Bauch wurde steinhart. Sie ruderte Halt suchend mit den Armen in der Luft herum.
    Mit tiefer, fester Stimme befahl Schwester Pureza Lucrezia: »Stell dich neben sie. Nimm ihre Hand.«
    Lucrezia trat rasch ans Kopfende des Himmelbetts, hielt sich an einem Bettpfosten fest und reichte der Gebärenden ihre freie Hand. Die Frau griff danach wie nach einer Rettungsleine und schrie. Der Laut jagte Lucrezia Angst ein.
    »Ist ja gut«, murmelte sie und versuchte damit, sich selbst und die Frau zu beruhigen. »Wir sind ja bei Euch.«
    Signora de Valenti schaute auf und sah Lucrezias Gesicht – das Gesicht der Madonna – an ihrem Bett.
    »Heilige Muttergottes«, stöhnte sie und hob sich halb aus den Kissen. Ein Wunder, ja, es musste ein Wunder sein, denn das Gesicht der Madonna blickte auf sie herab, die kühlen Hände der Heiligen Jungfrau umschlossen ihre eigenen fiebrig heißen. »Hilf mir.«
    Schwester Pureza, die zwischen den gespreizten Beinen der Frau kniete, blickte Lucrezia erstaunt an.Es hieß, Kranke und Leidende hätten manchmal bereits eine Hand im Himmel und könnten Dinge sehen, die andere nicht erkannten.
    »Lass mich leben, Heilige Muttergottes, nimm mich bitte noch nicht zu dir.«
    Schwester Pureza, die glaubte, die Frau sei bereits im Delirium, runzelte besorgt die Stirn. »Konzentriert Euch auf Euer Kind, Teresa«, befahl die Alte. »Schließt die Augen und denkt an Euer Kind.«
    Die werdende Mutter stieß einen spitzen Schrei aus, rasch gefolgt von einem zweiten. Schwester Pureza konzentrierte sich sofort wieder auf ihre Arbeit. Sie gab der anderen Hebamme einen Wink, sich mit der Geburtszange bereit zu halten.
    »Pressen«, befahl sie, »pressen! Los, mit aller Kraft!«
    Keuchend kniff Signora de Valenti die Augen zusammen und presste. Mit einem Mal riss sie die Augen auf und stieß einen fast unmenschlichen Schrei aus, einen Schrei des Schmerzes und der Ekstase.
    »Muttergottes, Muttergottes!«, heulte sie. Von Tränen blind tastete sie nach Lucrezias Arm, grub ihre Fingernägel in ihr Fleisch. »Muttergottes, rette mich!«, schrie die Signora. Mit einem Schwall schleimigen Blutes erschien der Scheitel des Kindes zwischen ihren Schenkeln.
    »Jetzt nicht aufhören, Teresa«, befahl Schwester Pureza mit fester Stimme. »Weiter pressen!«
    Lucrezia schaute auf den gebeugten Kopf der Nonne herab, der sich zwischen den angezogenen Knien der Gebärenden bewegte, roch den metallischen Geruch des Blutes. Die werdende Mutter keuchte, rang nach Luft, die Augen geschlossen, der Schweiß rann ihr übers Gesicht, das Haar klebte klatschnass an ihrem Schädel. Abermals riss sie die Augen auf, ächzte, das Bett bebte und Lucrezia hatte das Gefühl, gleich ohnmächtig zu werden.
    Plötzlich wurde laut an die Tür gehämmert, aber Schwester Pureza rief, barsch und laut wie ein Feldwebel: »Jetzt nicht, es ist so weit!« Im selben Tonfall brüllte sie Signora Teresa an. »Weiter jetzt! Weiter! Das Kind kommt jetzt. Press mit aller Kraft!«
    Sie schob einen mit scharfen Senfsamen gefüllten Federkiel in ein Nasenloch der Gebärenden und blies. Die Gebärende riss die Augen auf und begann heftig zu niesen. In den daraus resultierenden Krämpfen zog sich ihr Uterus zusammen, die Hüftknochen bogen sich das letzte, notwendige Stückchen auseinander und das Kind schoss aus dem Leib der Mutter auf das warme Leinentuch, das Schwester Pureza bereithielt.
    Sofort presste die alte Nonne den Mund auf Gesicht und Nase des Säuglings, saugte den Schleim ab und spuckte ihn in eine Holzschale, die genau zu diesem Zweck bereit gehalten worden war.
    Sie untersuchte den Säugling. Er

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