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Das Bildnis der Novizin

Titel: Das Bildnis der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Albanese Laura Morowitz Gertrud Wittich
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war gesund, feist und rosig.
    Schwester Pureza übergab den Säugling an Lucrezia und befahl ihr, das Kind draußen im Gang am warmen Kaminfeuer zu waschen. Sogleich sprangen mehrere Bedienstete herbei, um die schwere Waschschüssel nach draußen zu zerren.
    »Das Kind muss sofort eingewickelt werden«, rief Schwester Pureza und nahm die Leinenbinden zur Hand, die man zu diesem Zwecke bereitgelegt hatte. »Nur die Stellen aufdecken, die gewaschen werden, und dann so schnell wie möglich einwickeln, damit sich der Kleine keine Erkältung holt. Wenn er sauber ist, bringt ihn der Amme. Sie soll ihn sogleich anlegen. Vielleicht mag er schon trinken.«
    Dies gesagt, wandte sich Schwester Pureza sogleich wieder der Signora zu. Das Kind war rund und rosig, aber der Mutter ging es schlecht. Sie hatte hohes Fieber und schien sich im Delirium zu befinden. Wieder und wieder rief sie nach der Jungfrau Maria. Lucrezia konnte es kaum mehr mitanhören und schloss dankbar die Tür hinter sich.
    » Dominus spiritus sanctum «, betete Schwester Pureza. Sie hielt beide Hände über die Brust der Mutter. »Veni creator spiritus, mentes tuorum visita, imple superna gratia, quae tu creasti pectora...«
    Als Lucrezia mit dem Säugling im Arm aus dem Gemach trat, kam sogleich die alte gebeugte Dienerin herbei, die sie hinaufgeführt hatte. Sie war bleich und voller Angst.
    »Es ist ein Sohn, ein Erbe«, stieß Lucrezia atemlos hervor. Sie blickte das Kind an. Sein Gesichtchen war rot und runzlig, die Augen fest zusammengekniffen, die Händchen zu Fäusten geballt.
    »Und meine Herrin?« Die alte Dienerin schaute gespannt zu Lucrezia auf. Noch ehe diese jedoch antworten konnte, klappte der Alten der Unterkiefer herunter.
    »Mein Gott!«, rief sie und hob die Hand zur Stirn, um das Kreuzzeichen zu schlagen. »Ihr habt das Gesicht der Heiligen Jungfrau!«
    Die Dienerin drehte sie um und deutete auf ein Gemälde, das Lucrezia noch nie gesehen hatte. Es war ein Porträt der Jungfrau Maria in scharlachroter, goldverbrämter Robe, das Jesuskind auf dem Arm, das Haar von einem zarten, perlenbesetzten Netz zusammengehalten. Das Gesicht der Jungfrau war ihr eigenes.
    Lucrezia stieß einen überraschten Schrei aus. »Aber wie ist das möglich?«, rief sie. »Wie kommt das hierher?«
    »Es ist ein Geschenk unseres Herrn an die Herrin. Fra Filippo hat es erst letzte Woche geliefert.«
    Der Blick der Dienerin wanderte zwischen dem Bild und Lucrezia hin und her.
    »Eine solche Ähnlichkeit!«, staunte sie immer wieder. »Eine solche Ähnlichkeit!«
    Lucrezia hatte das Neugeborene noch immer im Arm und trat näher an das Bild heran. Ein eigenartiges Gefühl hatte sie ergriffen, ein Schwindel, ein Gefühl der Irrealität, dasselbe Gefühl, das sie immer dann empfand, wenn sie an den Maler dachte.
    »Schwester!«, ertönte plötzlich ein scharfer Ruf aus der Geburtskammer. Der Ruf kam von Schwester Pureza, aber so hatte sie Lucrezia noch nie gehört. »Schwester Lucrezia, schnell! Ich brauche dich!«
    Die Mutter stöhnte und schrie, der Säugling in Lucrezias Armen riss den Mund auf und weinte. Lucrezia wurden vor Müdigkeit und Verwirrung die Knie weich.
    »Ich werde gebraucht«, sagte sie zu der alten Dienerin, deren verrunzeltes Gesicht ein Abbild der Sorge war. Sie reichte ihr den Säugling und trat rasch zurück in die Geburtskammer, wo Signora Teresa wie entfesselt mit Armen und Beinen um sich schlug. Schwester Pureza hatte sich auf die Tobende geworfen, damit sie nicht aus dem Bett fiel. Die jüngere Hebamme war auf die Knie gesunken und betete inbrünstig.
    »Los, wir müssen sie festbinden«, keuchte Schwester Pureza. »Sonst kann ich ihr unmöglich den Beruhigungstrank einflößen.«
    Lucrezia zögerte.
    »Tu, was ich dir sage, Kind, nimm ein Laken und dreh einen Strick daraus.«
    Lucrezia riss ein sauberes Leintuch vom Stapel, straffte es und drehte eine Art Strick. Dann trat sie ans Bett.
    »Jetzt fessle sie schon, bevor sie dich noch verletzt«, befahl Schwester Pureza. Aber Lucrezias Hände zitterten so sehr, dass sie den Behelfsstrick fallen ließ.
    »O Schwester, ich kann nicht«, stöhnte Lucrezia. »Ich trau mich nicht.«
    Schwester Pureza maß Lucrezia von Kopf bis Fuß.
    »Dann nimm ihre Hände«, sagte sie, »halte du sie fest. Ich werde sie anbinden.«
    Signora Teresa spürte in ihrem Fieberwahn, dass ihre Kräfte nachließen, und das flößte ihr Angst ein. Sie wandte den Kopf zum Kerzenlicht und erblickte das Gesicht, das sie schon

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