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Das Bildnis der Novizin

Titel: Das Bildnis der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Albanese Laura Morowitz Gertrud Wittich
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in die Wangen kneifen oder auf die Lippen beißen, damit sie röter wurden.
    »Ach, ich weiß nicht.« Lucrezias Stimme zitterte. »So etwas hat man mir noch nie gesagt. Aber ich habe mir oft gewünscht, mein Gesicht verstecken zu können, weil mich die Männer so anschauten.«
    Das hatte Lucrezia noch niemandem anvertraut. Sie musste an Fra Filippo denken und daran, wie sehr ihr die Art, wie er sie ansah, gefiel.
    »Schönheit ist keine Schande, Kind. Außerdem ist sie nicht dein einziger Vorzug. Es kann nicht allein dein schönes Gesicht gewesen sein, das Signora de Valenti heute Nacht beruhigte.«
    Lucrezia war froh, dass die Dunkelheit ihre Züge verbarg. Sie saß dicht neben der alten Nonne und konnte ihre tröstliche Wärme spüren.
    »Deine Schönheit hat einen Sinn, so wie die Schönheit der Blumen in unserem Garten«, fuhr Schwester Pureza fort. »Ich habe darüber nachgedacht, seit ich erfuhr, dass Bruder Filippo dich malen wollte. Wenn dein Gesicht das Gesicht der Muttergottes werden kann, und wenn es eine Frau wie Signora de Valenti davor bewahrt, dem bösen Geist anheim zu fallen, dann muss deine Schönheit etwas Gutes haben.«
    Schwester Pureza drehte sich auf der Sitzbank, um Lucrezia besser ansehen zu können.
    »Erfreue dich an deiner Schönheit, Lucrezia, aber hüte dich vor der Sünde der Eitelkeit.«
    Lucrezia nickte und ließ sich ins Sitzpolster zurücksinken. Wieder einmal musste sie an das denken, was Fra Filippo im Beichtstuhl zu ihr gesagt hatte, dass die irdische Schönheit ein Abbild von Gottes Himmelreich sei.
    »Der Kaplan hat gesagt, dass selbst unsere Heiligen glaubten, dass Schönheit gottgefällig sei, weil sie unsere Welt der seinen näher bringt. Aber wenn das so ist, was ist dann mit dem Leid Jesu Christi, dem Leid der Jungfrau Maria?«, fragte Lucrezia.
    In diesem Moment holperte die Kutsche über ein Schlagloch, und Lucrezia stieß gegen Schwester Pureza. Beide murmelten eine Entschuldigung und setzten sich wieder zurecht.
    »Wenn das Leid uns Gott näher bringt, wie kann Schönheit denselben Zweck erfüllen?«, versuchte sie sich mit anderen Worten deutlich zu machen. »Eins davon muss doch des Teufels sein, Schwester Pureza. Ist es der Schmerz, oder ist es die Schönheit?«
    Schwester Pureza war müde. Zu gerne hätte sie die Augen zugemacht, doch sie fühlte, dass ihrem Schützling diese Fragen sehr nahe gingen, dass sie die junge Frau unglücklich machten.
    »Schönheit kommt von Gott, die Eitelkeit vom Teufel. Und was das Blut Christi betrifft, Schwester Lucrezia, du warst ja heute bei der Geburt dabei, du kennst jetzt das Leid, das durch Evas Erbsünde auf uns Frauen gekommen ist. Immer gibt es Blut.«
    Schwester Pureza versuchte ihre harten Worte etwas abzumildern: »Aber vergiss nicht, Kind, dass die Jungfrau zwar in Reinheit für die Sünden anderer blutete, dafür aber zur Himmelskönigin erkoren wurde.«
    Lucrezias Gedanken verwirrten sich. Sie wusste beim besten Willen nicht, was sie darauf sagen sollte.
    »Deine Schönheit und deine Güte sind ein Geschenk«, sagte Schwester Pureza. »Aber Schönheit vergeht. Die Seele muss stärker und weiser werden.«
    Als Lucrezia die Augen öffnete, fuhr die Kutsche auf den Klosterhof. Die Nonnen stiegen aus und eilten auf das niedrige Dormitorium zu, dessen graue Mauern düster im Mondschein erglänzten.
    »Du hast deine Sache heute Nacht gut gemacht, meine Liebe«, sagte Schwester Pureza und blieb kurz vor ihrer Zellentür stehen. »Und jetzt leg dich schlafen.«
    Aber sobald Lucrezia allein war, schwirrte ihr der Kopf von all dem Gerede über Blut und Schönheit; wieder hörte sie die grässlichen Schreie der Signora und sah das Bild der Madonna mit ihrem Gesicht, gemalt von Fra Filippos Hand.
    Lucrezia schritt ein paarmal in ihrer Zelle auf und ab, doch der Raum war zu klein, zu stickig. Sie schlüpfte in ihre Sandalen, zündete eine Kerze an und schlich in den Gang hinaus. Sie wollte schon über den Hof gehen, als ihr einfiel, dass die Schwestern nach dem Dunkelwerden und vor Sonnenaufgang die Nachttreppe zur Kirche benutzten. Daher machte sie kehrt und öffnete die Tür zur Treppe. Dort roch es feucht und modrig. Rasch stieg sie an den Spinnen vorbei, die zu ignorieren sie gelernt hatte, und achtete auch nicht auf die kleinen Mäuse, die bei ihrer Annäherung davonhuschten.
    Als sie den schmalen Gang, der zur Sakristei führte, erreichte, blies sie ihre Kerze aus, um Wachs zu sparen. Da hörte sie plötzlich Schritte. Sie

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