Das Bildnis der Novizin
einlade. Sie hoffte und betete, dass de Valenti ihren Vorschlag hocherfreut annehmen würde.
Und sie irrte sich nicht.
Noch am selben Nachmittag kam eine Antwort, geschrieben vom Kaufmann selbst, gerichtet an die Mutter Oberin. Dem Brief waren vier Goldstücke beigefügt.
Mutter Bartolommea klatschte entzückt in die Hände, als sie den Beutel geöffnet hatte. Sie ließ Schwester Pureza in ihr Büro rufen und flüsterte ihr erregt zu: »Siehst du, der Heilige Gürtel wirkt schon! Die Wunder geschehen bereits. Schau, Schwester Pureza, ich weiß durchaus, was ich tue.«
Schwester Pureza sagte nichts. Sie nickte, als wären der Brief und das Geld tatsächlich dem Wirken der Äbtissin und dem Gürtel der Jungfrau zu verdanken, vielleicht sogar die glückliche Geburt des Knaben.
Die Äbtissin ließ sofort Lucrezia rufen, die bleich und mit tränennassem Gesicht auftauchte. Mutter Bartolommea gratulierte sich zu ihrem unerhörten Glück.
»Du wirst in den Valenti-Haushalt zurückkehren und dort bei der Pflege von Mutter und Kind helfen«, befahl die Mutter Oberin. »Sie hält dich für eine Heilerin, aber das darfst du dir nicht zu Kopf steigen lassen«, sagte sie streng zu der Novizin. »Jedes Talent ist ein Gottesgeschenk und nur dem Herrn selbst zu verdanken.«
Lucrezia war verwirrt, verzweifelt. So viel war in so kurzer Zeit geschehen und alles schien sich irgendwie um ihr Gesicht, ihr Aussehen zu drehen, um das, was die Menschen darin zu sehen, über sie zu wissen glaubten. Sie wusste nichts von den Goldstücken, aber sie hatte die Pracht des Valenti-Palazzos gesehen, hatte die Frauen tuscheln, ihr Loblied singen hören. Sie hatte das Porträt angestarrt, ihr eigenes Antlitz, gerahmt in Gold. Schönheit und Gold waren ja vielleicht ebenso Teil des Schicksals wie Gebet und Frömmigkeit, das wurde Lucrezia in diesem Moment klar. Vielleicht waren sie sogar noch wichtiger als Gottes Wille. Wenn, wie Schwester Pureza gesagt hatte, die Schönheit ein Gottesgeschenk und kein Grund war, sich zu schämen, dann hatte sie nichts zu befürchten.
Aber sie fürchtete sich trotzdem.
Die Hände ineinander verkrampft, hielt Lucrezia mühsam die Tränen zurück. Sie hatte das dumpfe Gefühl, der Vorfall mit dem Generalabt sei eine Warnung, aber ob von Gott oder vom Teufel, konnte sie nicht sagen.
»Du wurdest gerufen«, sagte Schwester Pureza ruhig. Sie stand zwischen Lucrezia und der Äbtissin, weder die Partei der einen noch der anderen ergreifend. »Möchtest du noch etwas zur Mutter Oberin sagen?«
»Ich werde dahin gehen, wo man mich braucht, Mutter«, sagte Lucrezia so ruhig sie es vermochte.
Die Äbtissin nickte. »Dann pack jetzt deine Sachen.«
Sie musste an die sauren Mienen der Mitschwestern denken, die allmählich wegen der vielen Privilegien, die man der schönen Novizin zugestand, zu murren begannen.
»Du wirst morgen in aller Stille gehen, damit kein Neid bei deinen Mitschwestern aufkommt.«
Sie hielt es nicht für nötig, den beiden mitzuteilen, dass der Generalabt ihr ausdrücklich verboten hatte, den Novizinnen nochmals Ausgang zu gewähren. Im Übrigen sah sie keinen Grund, den großzügigen Wunsch de Valentis abzulehnen. Der Generalabt würde bald wieder fort sein, und falls ihm Lucrezias Abwesenheit auffiel und er sich nach ihr erkundigte, würde sie ihm einfach die Goldstücke zeigen und lächeln.
Vier Goldflorin waren viel wert. Nicht einmal der Generalabt würde das bestreiten können.
13. Kapitel
Am Hochfest des Heiligen Gürtels, Mariä Geburt, im Jahre des Herrn 1456
A m Morgen des Hochfests des Heiligen Gürtels, als sich die Nonnen wie immer zur Laudes in der Kirche versammelten, wurde viel gewispert und getuschelt. Die wundersamen Umstände bei der Geburt des de-Valenti-Knaben hatten sich herumgesprochen, auch ließen sich die Spannungen, die sich in ihre kleine Welt eingeschlichen hatten, nicht länger verbergen.
»Ich habe Lucrezia die ganze Nacht weinen hören und die Äbtissin war schon vor Morgengrauen wach«, flüsterte Schwester Maria, während sie die Finger ins Weihwasserbecken tauchte.
»Vielleicht ist die Mutter Oberin unzufrieden mit Lucrezia«, spekulierte Schwester Piera, machte jedoch sofort das Kreuzzeichen, um sich vor der Sünde der Eifersucht zu bewahren.
»Sie ist stolz auf ihre Schönheit«, vermutete Schwester Maria, wurde daraufhin jedoch knallrot. »Du weißt ja, Schwester Pureza und die Mutter Oberin dulden weder Stolz noch Eitelkeit.«
»Ich wünschte, ich
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