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Das bin doch ich

Das bin doch ich

Titel: Das bin doch ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Glavinic
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quer über den Tisch mit den Leuten vom Rabenhof. Jeder redet so vor sich hin, was dem jeweiligen Gegenüber das Gefühl geben muß, angesprochen zu werden, und wirklich, die deutsche Lektorin auf der Rabenhofseite und der größte Starautor der westlichen Welt auf meiner wirken zunehmend befremdet. Außerdem reden wir nicht gerade leise. Die üblichen Provokationen und Beleidigungen werden ausgetauscht. Ich merke selbst, daß wir uns benehmen wie Kinder, die einen Besucher durch schlechtes Betragen auf sich aufmerksam machen wollen, doch ich kann mein Verhalten nicht mehr kontrollieren.
    Gerade als ich das denke, höre ich mit einem Ohr, wie der Stadtrat über seine beiden Kinder spricht. Das interessiert mich, und ich frage, ob sie bei der Geburt fünfundsechzig Zentimeter lang waren, was nicht mit Begeisterung aufgenommen wird. Ich notiere mir, was ich bisher getrunken habe, doch zwischen dem einen und dem nächsten Strich geht mir auf rätselhafte Weise der Zettel verloren. So höre ich, wie sich Nüchtern dem größten Starautor der westlichen Welt vorstellt, der seinerseits in der Zwischenzeit mit Daniel über Materialismus zu sprechen begonnen hat.
    Nüchtern sagt, er arbeite für eine Stadtzeitung, die man mit der Village Voice vergleichen könnte. Ich will etwas einwerfen, aber ich bringe nur ein Lallen hervor. Von der linken Seite schreit Gratzer: »Glavinic, trink einen Kaffee!« Das wäre wirklich nicht unvernünftig, aber trotz meines jämmerlichen Zustands nehme ich noch das Lächeln wahr, mit dem der größte Starautor der westlichen Welt Nüchtern bedenkt, ein wirklich freundliches Lächeln, in dem nicht einmal Herablassung liegt, weil Herablassung zuviel an Entgegenkommen wäre.
    So möchte ich auch lächeln können.
    Der Stadtrat beugt sich zum größten Starautor der westlichen Welt und sagt: »Es gibt noch immer viele Fiaker in der Stadt!«
    Ja, er hätte einige gesehen, antwortet der, schenkt sich Rotwein nach und dreht sich wieder zu Daniel.
    Mich sticht der Hafer, und ich versuche dem größten Starautor der westlichen Welt irgend etwas über Capote auseinanderzusetzen. Leider spreche ich Englisch, und mehr Vokabeln als »Truman« und »Capote« fallen mir nicht ein, was von brüllendem Gelächter der Rabenhofleute begleitet wird. Ich probiere es auf Deutsch, aber sogar mir wird deutlich, was für ein Fiasko das ist. Jetzt kriege auch ich ein Business smile des größten Starautors der westlichen Welt. Daniel sagt zu ihm: »Thomas hat ein sehr gutes Buch geschrieben, das wäre etwas für dich, der Kameramörder «, was mich so enthusiasmiert, daß ich dem größten Starautor der westlichen Welt gleich von meinem Erstling erzähle, Carl Haffners Liebe zum Unentschieden , der immerhin ins Englische übersetzt ist. Den soll er lesen, der Kameramörder ist zwar besser, jedoch nur auf Deutsch erhältlich.
    »Aber er«, Daniel sticht mit dem Finger nach links, wo der größte Starautor der westlichen Welt mich anlächelt und anlächelt und anlächelt, »liest Deutsch!«
    »Ach ja«, sage ich und ziehe mich eine Weile, von den Rabenhofleuten laut geschmäht, aus dem Gespräch zurück.
    »Wir haben hier eine gute Luft«, sagt der Stadtrat zum größten Starautor der westlichen Welt. Der Mitarbeiter der Wiener Village Voice bestätigt das. Der größte Starautor der westlichen Welt nickt und sagt mit unverändertem Lächeln leise zu Daniel: »Ich wäre lieber tot als hier.« Dann reden sie weiter über Materialismus. Mir fällt eine schöne Stelle aus dem Schwejk ein, an der der betrunkene Feldkurat sagt: »Alkohol trinken ist gemeiner Materialismus!«, und aus einem mir selbst nicht erklärbaren Bedürfnis heraus, für Scherz und Laune zu sorgen, versuche ich sie zu erzählen, aber wieder gelingt mir nicht mehr als ein Stammeln.
    Nachdem ich einige Zeit von Dunkelheit umgeben war, fallen mir an der rechten Tischflanke leere Plätze auf. Ich erinnere mich, jemandem die Hand gegeben zu haben, darunter auch der deutschen Kritikerin. Mir wird bewußt, daß erneut schreckliche Dinge um mich herum vorgehen. Der Mitarbeiter der Wiener Village Voice scheint mich schon eine Weile zu piesacken, so unsicher habe ich ihn noch nie gesehen. Er nennt mich klein und dick. Da ich allenfalls dicklich, aber nicht klein bin, sage ich ihm, er rede Blödsinn. Die Rabenhofleute brüllen dazwischen, lachen und johlen, und ich sage dem Mitarbeiter der Wiener Village Voice, er solle sich nicht immer so intensiv mit meinem

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