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Das bisschen Haushalt

Das bisschen Haushalt

Titel: Das bisschen Haushalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin-Nils Däfler
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Anerkennenswert und vorbildlich sei das. Nach dieser schleimigen Einführung zieht Frau Knoll die Bastelanleitung für das Modell „Prinzessin“ hervor. Die Anleitung hat die Größe eines Kinoplakats. In 37 Arbeitsschritten sollen wir aus pink-farbener Wellpappe, gelbem Krepppapier, verschiedenfarbigem Fotokarton und Moosgummiteilen sowie allerhand glitzerndem Zubehör, wofür ich nicht einmal die genauen Begriffe kenne, eine Schultüte herstellen. Genau mein Ding. Wie gern ich so was mache! Lieber würde ich die Zeit mit einer Darmspiegelung oder einer Wurzelbehandlung verbringen. Nicht mal Alkohol gibt’s hier, nur Holunder-Grüner-Tee-Schorle. Wird bestimmt ein netter Abend!
    Frau Knoll referiert: „Zuerst nehmen wir uns den Grundkörper der Schultüte vor. Dazu falten wir die pinkfarbene Wellpappe und stecken die Enden ineinander. Dann bringen wir die gelbe Wellpappe an der unteren Außenseite des Grundkörpers zur Stabilisierung an. Anschließend fädeln wir das gelbe Tüllband am oberen, äußeren Tütenrand durch die Einschnitte in der Wellpappe. Das gelbe Krepppapier heften wir an der Innenseite des Schultütenkörpers an. Die Glitzersteinchen befestigen wir dekorativ im oberen und unteren Bereich der Schultüte. Den gelben Chenilledraht wollen Sie dann teilen und zu zwei großen Herzen biegen. Das Schleifenband müssen Sie dann noch an die Tüllschleife knoten. Das haben Sie doch verstanden? Ist ja auch nur der leichteste Schritt.“
    Ich sehe mich um: Zustimmendes Nicken. Acht Mütter haben verstanden. Ich nicht. Frau Knoll hätte auch aus einem alt-hinduistischen Götterepos in Originalsprache zitieren können
    - der Effekt wäre der gleiche gewesen. Geschäftiges Treiben um mich herum; Scheren, Klebestifte, Zangen, Lineale, Heißklebe-pistolen, Teppichmesser, Bleistifte und allerhand mehr Werkzeuge werden in Position gebracht und von kundigen Händen benutzt. Meine Pranken sind höchstens dazu geeignet, Garagen auszuräumen oder aufgeweichte Grillkohle zusammenzuklauben, nicht jedoch für solch filigrane Arbeiten.
    „Hätten Sie mal kurz Zeit für mich“, bitte ich Frau Knoll zu mir. Sie muss mir das nochmals so erklären, dass auch ein normal begabter Mann das versteht! Sie kommt zu mir, lässt mich aber gar nicht erst zu Wort kommen. „Gut, dass Sie da sind“, raunt sie mir zu. Sie müsse unbedingt mit mir über das Verhalten meiner Tochter sprechen. Nicht hier, wo so viele Zuhörer wären. Ich solle morgen, wenn ich Rebecca abholen würde, etwas früher erscheinen als normal, dass wir uns in Ruhe unterhalten könnten. Was will sie bloß? Hat Rebecca was angestellt, anderen Kindern ihr Pausenbrot gemopst, gar ihre Spielkameraden geärgert? Morgen werde ich mehr wissen. „Was ich eigentlich von Ihnen wollte, Frau Knoll: Können Sie mir helfen, ich komme einfach nicht klar.“ Das täte sie liebend gern, sie müsse aber auch nach den anderen schauen. Meine Nachbarin - Ursula also - wäre mir bestimmt gern behilflich.
    „Du, Ursula, könntest du mir mal kurz helfen? Du bist doch so geschickt“, frage ich meine Nachbarin also. Sie springt sofort an. Ursula freut sich dermaßen, dass sie ihre Bastelkompetenz unter Beweis stellen darf, dass sie mir die Tüte komplett bastelt. Komplett! „Weißt du, die Tüte für Anne-Sophie kann ich ja auch mal abends allein zu Hause machen.“ Ist ja wirklich nett von ihr, aber ich muss einen hohen Preis dafür zahlen. Sie textet mich zu, als ob sie für jedes gesprochene Wort bezahlt würde. Natürlich geht’s vor allem um die drei großen „E“ im Leben der Ursula: Ernährung, Erziehung und Erwachsenwerden.
    Die nächsten dreieinhalb Stunden sind so interessant wie die TV-Übertragung einer Sitzung des nordkoreanischen Parlaments. Immer mal wieder darf ich auch was tun; selbstverständlich nur idiotensichere Dinge, wie Glitzersteinchen aufkleben oder Moosgummisterne ausschneiden. Als auch das letzte Schleifenband angebracht und die letzte Hologenfolie verarbeitet ist, bin ich stolzer Besitzer einer einzigartigen Schultüte. Ich bedanke mich bei Ursula, lasse nicht unerwähnt, wie sehr ich mich schon auf das Rezept für den Bärlauch-Sellerie-Dinkelnu-del-Auflauf freue, das sie mir versprochen hat, und schaue zu, dass ich so schnell wie möglich hier rauskomme. Rebecca wird Augen machen morgen. Und Carola erst. Wenn sie wissen wollen, ob jemand geholfen hat, werde ich sagen, dass ich nur geringfügige Hilfe hatte.
Dienstag, 29. Juli
    Gestern Abend hatte ich

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