Das bisschen Haushalt
ich vor. „Zu wenig!“ „Und noch eine Tafel Nussschokolade!“ „Abgemacht, der Deal gilt“, schlägt Paul ein. Doch wir haben die Rechnung ohne Rebecca gemacht, denn die hat das Geschäftsmodell ebenfalls als lukrativ identifiziert. „Papa, ich will eine Packung Kinderriegel und eine Tüte Gummibärchen“, fordert sie. „Auch gut“, willige ich ein. Die Kosten für die Süßigkeiten werde ich von der Steuer absetzen, in der Rubrik „Bewirtungskosten“. „Ich muss mich aber zu 100 Prozent auf euch verlassen können“, ermahne ich die beiden nochmals und schicke sie auf ihre Zimmer.
Um 16:04 Uhr klingelt es. Ich führe Herrn Engelhardt ins Büro, hole uns aus der Küche einen Kaffee und flüstere den beiden Erpressern im Hinuntergehen nochmals zu, dass es jetzt gilt. Eine Viertelstunde lang unterhalte ich mich ungestört mit Herrn Engelhardt. Wir sammeln Themen, die anlässlich der Firmenjubiläumsfeier in der Rede angesprochen werden sollen. Gerade als wir dabei sind, über die Entwicklung der Beschäftigtenzahl zu sprechen, stürmt Rebecca ins Büro. Ohne Notiz von Herrn Engelhardt zu nehmen brüllt sie los: „Der Paul hat mir den Arm umgedreht und mich in den Bauch geboxt!“ Der so Beschuldigte taucht sogleich auf - ebenfalls völlig unbeeindruckt von der Anwesenheit meines Kunden - und verteidigt sich: „Die Rebecca hat ja auch meine Playmobil-Piraten geklaut.“ „Gar nicht wahr!“ „Wohl wahr, du alte Ratte.“ „Eiterkopf!“
Mit signalrotem Kopf und erhöhtem Puls wende ich mich den Kontrahenten zu und versuche zu beschwichtigen: „Kinder, seid doch friedlich. Löst das Problem doch durch Reden. Zeigt uns mal, dass ihr das könnt.“ Ich bugsiere die zwei hinaus und wende mich dann an Herrn Engelhardt: „Tut mir schrecklich leid, die beiden vertragen sich sonst sehr gut. Und solche Wörter benutzen sie eigentlich auch nicht. Das wird bestimmt nicht wieder vorkommen.“ Herr Engelhardt nickt nur schweigend.
Nach weiteren zehn Minuten ist es diesmal Paul, der unser Brainstorming stört. „Die Rebecca spielt dauernd in meinem Zimmer. Ich will aber allein sein.“ „Schatz, vielleicht könntest du mal eine Ausnahme machen und es ihr großzügigerweise erlauben?“ Ich lege meine Hände in väterlicher Strenge und Bestimmtheit auf seine Schultern und blicke ihm tief in die Augen. Wenn er diese Art von Sprache versteht, dann müsste er jetzt erkennen, dass das Maß absolut voll ist. Mal sehen. Herr Engelhardt nickt erneut; ich meine, gesehen zu haben, wie kurz ein Grinsen in seinem Gesicht aufgeflackert ist.
Tatsächlich schaffen wir es, zwanzig Minuten ohne Unterbrechung zu diskutieren und Ideen zu entwickeln. Doch urplötzlich stürzen Paul und Rebecca wie eine Lawine ins Büro. Beide sprechen gleichzeitig. Ich verstehe kein Wort. „Ruhe! Ruhe! Was ist los? Paul, du zuerst.“ „Dieser Rotzklops von Schwester hat meine ganzen Matchboxautos aus der Schublade geholt und spielt damit.“ „Ich bin kein Rotzklops, du Stinklaus“, ereifert sich Rebecca. Bevor meine Kinder weitere Beispiele ihres umfangreichen Schimpfwortwissens abliefern können, ziehe ich die Notbremse: „Ich will nichts mehr hören. Geht hoch ins Wohnzimmer und schaut Fernsehen.“ Jubelnd zischen sie ab. Herr Engelhardt nickt, diesmal deutlich lächelnd.
Meine Mutmaßung, dass wir nun unser Meeting komplikationslos zu Ende bringen können, erweist sich als eine naive Wunschvorstellung, denn nur wenige Minuten, nachdem sie gen Wohnzimmer gezogen sind, stehen sie erneut vor uns. „Der Paul will die Simpsons schauen. Die mag ich aber nicht. Ich will Sponge Bob gucken.“ „Der blöde Terrorkrümel schaltet dauernd um. Sponge Bob ist so was von schei...“ „Schluss! Es reicht!“ Nun ist es auch mit meiner Geduld vorbei. Ich schreie in gewohnter Lautstärke und nehme keine Rücksicht mehr auf Herrn Engelhardt. „Seht ihr denn nicht, dass wir hier ein wichtiges Gespräch führen?“ Herr Engelhardt nickt nicht mehr schweigend, sondern spricht mit sanfter Stimme: „Ach, Herr Däfler, entspannen Sie sich mal. Ich habe auch Kinder und weiß, wie das ist. Am besten, wir beenden unser Gespräch und Sie kümmern sich mal um ihre zwei Lauser. Wir können ja nächste Woche telefonisch den Rest klären.“
Erleichtert nehme ich seinen Vorschlag an, verabschiede ihn mit meinem tief empfundenen Dank für sein Verständnis und wende mich dann den beiden Störenfrieden zu. Bevor ich zu einer deftigen Strafpredigt ansetzen
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