Das bisschen Haushalt
Paul meint, dass dies die einmalige, nie wiederkehrende Chance wäre, nach einem ganz bestimmten Nintendo-Spiel zu suchen, dass er sich schon so lange wünschen und bei uns nicht bekommen würde.
Also gibt’s kein Sightseeing, sondern Shopping. Wir rennen erneut in allen Kaufhäusern rum, auf der Suche nach diesem dämlichen Spiel. Endlich, im vierten Anlauf werden wir fündig. Die Stimmung ist gerettet. Entspannt schlendern wir den Ku’damm entlang, gönnen uns ein Eis und beobachten eine Ha-re-Krischna-Demo. Gerade als wir an der Kaiser-Wilhelm-Ge-dächtniskirche angelangt sind, überrascht uns ein sommerlicher Platzregen. Wir flüchten uns in ein mexikanisches Restaurant. Da es bereits später Nachmittag ist, wir außer dem Eis noch nichts zu uns genommen haben und ich zudem die Erfahrungen des gestrigen Abends noch nicht vergessen habe, entschließe ich mich, das Abendessen hier einzunehmen.
Ich lasse die Speisekarte kommen, doch Paul will keinen Blick hineinwerfen. Er verkündet: „Ich will Maultaschen!“ „Räuber, das ist ein guter Witz.“ „Das war kein Witz. Ich will Maultaschen!“ „Hier gibt’s aber keine Maultaschen oder irgendwelche anderen schwäbischen Gerichte, sondern nur Nachos, Tacos oder Chili con Carne.“ „Was is’n das für ’en Mist?“ „Das ist kein Mist, sondern sind leckere Gerichte!“ Nach ausführlichem Studium des Speisenangebots entschließt sich Paul, eine Kinderportion der Azteken-Pfanne zu bestellen. Von selbiger isst er allerdings dann nur drei Löffel - zu scharf, wie er befindet. Gut, dann hat er auch keinen Hunger. Nach meinem „Red Snapper Veracruz“ vertilge ich auch noch die restliche Azteken-Pfanne.
Mit der U-Bahn fahren wir zurück ins Hotel und setzen uns noch an die Bar. Für Paul ordere ich einen Kakao und für mich ein Bier. Die dazu vom Kellner gereichten Erdnüsse erfreuen nicht nur mich, sondern auch Paul - hat er also doch noch Hunger. Paul greift selbstbewusst den Löffel, der im Schälchen mit den Nüssen steckt, belädt selbigen mit einem riesigen Haufen Peanuts und führt ihn zielstrebig . zum Mund. Nach dem hastigen Verzehr der Nüsse leckt er genüsslich den Löffel ab und steckt ihn - wieder zurück in das Schälchen. Na, dann guten Appetit, Nachfolger. Ich verlange lieber schnell die Rechnung und hoffe, dass uns niemand beobachtet hat.
Sonntag, 10. August
Nach dem Frühstück geht’s zum Bahnhof. Mit unseren beiden Koffern, den drei prall gefüllten Einkaufstüten und meinem Rucksack entsprechen wir voll dem Klischee des Landeis auf Großstadtbesuch, zumal wir uns im neuen, riesigen Berliner Hauptbahnhof nur schwerlich zurechtfinden. Als wir endlich doch den Weg zu unserem Gleis ausfindig gemacht haben und dort angelangt sind, müssen wir noch den genauen Einstiegspunkt eruieren. Dem Wagenstandsanzeiger entnehmen wir, dass wir zum Haltepunkt „A“ müssen. Wir stehen bei „E“. Also schultere ich wieder unser Gepäck und haste ans andere Ende des Gleises.
In zwei Minuten ist Abfahrt. Eine Lautsprecherdurchsage ertönt: „Meine Damen und Herren, bitte beachten Sie, dass die Wagen heute in umgekehrter Reihenfolge angeordnet sind.“ Na, vielen Dank. „Paul, wir sind richtige Gleisnomaden“, versuche ich der Situation noch etwas Witziges abzugewinnen und Paul aufzumuntern, der angesichts der etlichen, bereits per Pedes zurückgelegten Kilometer, schon reichlich genervt ist. Mit der Einfahrt des Zuges sind wir wieder da, wo wir zuvor waren. Als sich die Wagontüre öffnet, lese ich an der Seite „Wagen 2“ - wir aber haben im Wagen 14 reserviert, also am genau entgegengesetzten Ende. Zufälligerweise steht der Zugbegleiter in meiner unmittelbaren Nähe. Meine Wut entlädt sich an ihm wie ein Blitz am Blitzableiter. Scheinbar hat der Schaffner aber mal ein Seminar mit dem Titel „Souverän auf Kundenklagen reagieren“ besucht, denn mit geduldiger und ruhiger Stimme erklärt er mir, dass die Durchsage dem Zug auf dem Nachbargleis gegolten habe.
Montag, 11. August
Unser Mama-Tochter- bzw. Vater-Sohn-Ausflug hat Paul und Rebecca sichtlich gut getan, zumindest, was ihr Verhältnis zueinander betrifft, denn den ganzen Tag über haben sie noch nicht gestritten. In trauter Zweisamkeit vertreiben sie sich sowohl den Vor- als auch den Nachmittag. Der alte Spielteppich mit den eingezeichneten Straßen wird ausgekramt und mit den Matchboxautos Großstadtverkehr nachgestellt. Friedlich beschäftigte Kinder geben mir die Gelegenheit, einige
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