Das bisschen Haushalt
der Aufgaben und Aufträge nachzuholen, die in der letzten Woche liegen geblieben sind. Ich bin so in meine Arbeit vertieft, dass ich glatt vergesse, das Abendessen vorzubereiten. Erst als Paul und Rebecca ins Büro marschiert kommen und mich wissen lassen, dass sie mächtig Kohldampf schieben, wird mir bewusst, dass es längst Zeit gewesen wäre, was zu kochen. Auf Carola müssen wir ohnedies nicht warten, die hat heute Abend ein Geschäftsessen.
Da es nun zu spät ist, noch einkaufen zu gehen, schlage ich den Kindern vor, essen zu gehen. Das bringt mir umgehend einen dicken Pluspunkt ein. Noch mal auf Toilette, die Hände waschen und kämmen, los geht’s. Im Landgasthof wähle ich in weiser Voraussicht einen Platz, in dessen unmittelbarer Umgebung sich noch niemand niedergelassen hat; nur vorn am Eingang sind ein paar Tische besetzt. Rebecca und Paul dürfen also ruhig in gewohnter Lautstärke sprechen, ich muss nicht fürchten, dass andere Gäste gestört werden.
Wir werden gefragt, was wir trinken möchten. „Ich will Cola“, fordert Töchterlein. „Schatz, mit sechs Jahren bist du dafür zu jung.“ „Bin ich gar nicht! Ich geh’ doch bald in die Schule.“ „Und ich will Kakao“, verkündet Paul. „Nein, sonst isst du danach nichts mehr. Kakao gibt’s nur nach dem Essen.“ Die Bedienung verfolgt aufmerksam unsere Diskussion. Ich bestelle ein Hefeweizen und zwei Apfelsaftschorlen.
Die Atmosphäre ist leicht angespannt. Die Speisekarte wird gebracht. Wie üblich stehen darin die deutschlandweit beliebten Schlager „Mickey Mouse“, „Pinocchio“ und „Käpt’n Blaubär“, also Würstchen mit Pommes, Schnitzel mit Pommes und Fischstäbchen mit - genau, mit POMMES, mit fetttriefenden Fritten. Ich hab’ ja nichts gegen anständige deutsche Küche, mag sie ja selbst sehr gern und finde, dass so etwas durchaus auf dem Speiseplan meiner Kinder stehen darf. Aber doch nicht immer! Vergeblich versuche ich, Rebecca und Paul den Salatteller mit Putenbruststreifen schmackhaft zu machen.
Von vergangenen Restaurantbesuchen weiß ich, dass es eine kluge Strategie ist, für beide Kinder das Gleiche zu bestellen, weil es sonst todsicher heißt: „Mir schmeckt’s nicht, ich will das haben, was Paul/Rebecca hat.“ Ich mache kurzen Prozess und verlange zwei Kinderportionen Spaghetti mit Tomatensauce. Inzwischen hat am Nachbartisch ein älteres Ehepaar Platz genommen. Dem pikierten Blick nach zu schließen haben sie bemerkt, dass die Stimmung nun noch gereizter ist.
Mist, ich habe das Formel-1-Quartett und das Uno-Karten-spiel zu Hause liegen lassen. Wie soll ich sie jetzt beschäftigen? Vier Minuten lang spielen wir „Ich sehe was, was du nicht siehst, und die Farbe, die ist ...“ - danach wird es Paul zu langweilig. Wir vertreiben uns die Wartezeit mit der Konstruktion von Bierdeckel-Häusern. Als Rebecca das dritte Stockwerk bauen will, stürzt das Gebilde in sich zusammen, was sie durch einen beherzten Griff mit der linken Hand zu verhindern sucht. Nun liegt nicht nur unser architektonisches Meisterwerk danieder, sondern auch eine Apfelsaftschorle. Die Bedienung bringt einen Lappen und teilt bei dieser Gelegenheit mit, dass es mit dem Essen noch ein bisschen dauere, da man in der Küche unterbesetzt sei. Sicherlich hätten wir Verständnis. Haben wir, allerdings nicht mehr lange, denn hungrige Kinder sind eine tickende Zeitbombe - fällt ihr Zuckerspiegel unter einen kritischen Wert, mutieren sie zu infernalischen Monstern, die zu allem fähig sind. Ablenkung heißt jetzt die Devise.
Wir falten Segelschiffchen aus den 10- und 20-Euro-Schei-nen in meinem Geldbeutel. Wir spielen „Ich packe in meinen Koffer ...“. Wir werfen unsere Hände bei „Schere, Stein, Papier“ aneinander. Endlich kommen die ersehnten Teller mit den Spaghetti. „Iiiiihh, was ist das?“, schreit Rebecca und deutet auf den fein geschnittenen Schnittlauch, der zu Dekorationszwecken über die Nudeln gestreut wurde. Ich muss 53 Schnittlauchröllchen entfernen, bevor Madame sich bequemt, ihren Löffel zur Hand zu nehmen. Dies tut sie dann auch gleich mit solcher Energie, dass die Tomatensauce umherspritzt wie Lava beim Ausbruch des Ätna. Ihr rosafarbenes Polohemd ist nun rot gepunktet, genauso wie der Tischläufer und die Bluse der Dame vom Nachbartisch. Ich winke die Bedienung eilig zum Zahlen herbei.
Dienstag, 12. August
Nachdem zu Rebeccas eigentlicher Geburtstagsparty natürlich nur Mädels zugelassen waren, Töchterlein
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