Das bisschen Haushalt
kann, erlebe ich etwas bis-her nie Dagewesenes - eine Art Schuldeingeständnis. „Paps, ich glaub’, das ist nicht ganz so gelaufen, wie du dir das vorgestellt hast“, meint Paul. „Nicht ganz?“, schaue ich beide fragend an und lasse es dabei bewenden.
Donnerstag, 7. August
Ich kann nicht mehr. Jetzt sind Paul und Rebecca schon eine Woche zu Hause - von morgens bis abends. Ich bin von 07:30 Uhr bis Carola abends um 18:00 Uhr nach Hause kommt, allein für sie verantwortlich, muss das Ferienprogramm gestalten, muss ihre Launen ertragen, muss mir siebzehnmal am Tag anhören: „Mir ist langweilig“, muss ständig Klagen darüber vernehmen, dass alle Freunde weggefahren sind, zu entfernt lebenden Omas und Onkels, nach Italien oder ins Zeltlager an den Funtensee.
Ich wünschte, die Schule würde morgen wieder beginnen. Ich bastele mir aus einem Maßband aus Carolas Nähkasten einen Countdown-Zähler, von dem ich jeden Tag einen Zentimeter abschneide. Auf diese Weise werde ich vielleicht optimistischer und werde erkennen: Die Sommerferien dauern nicht ewig. Nun ja, wenigstens brechen wir morgen zu unserem Männerausflug auf.
Freitag, 8. August
Unsere Vater-Sohn- bzw. Mutter-Tochter-Ausflüge sind inzwischen zu einer lieb gewordenen Tradition avanciert. Wir Eltern fahren dann in den Sommerferien für ein Wochenende getrennt mit Paul und Rebecca weg. Das Ziel darf der Nachwuchs bestimmen. Jetzt ist es wieder mal so weit: Paul wollte dieses Jahr in die Bundeshauptstadt und Rebecca auf den Reiterhof.
Carola und Rebecca bringen uns an diesem Freitagmorgen zum Bahnhof und fahren dann weiter ins Fränkische zu Familie Reifenstein mit ihren Haflingern. Kaum sitzen wir im ICE, packt Paul sein Formel-1-Quartett aus: „Komm Paps, wir spielen ’ne Runde“, fordert er mich auf. Aus der einen Runde werden insgesamt siebenundzwanzig. Bis zum Lehrter Bahnhof gewinne ich kein einziges Mal, was gut für sein Selbstbewusstsein und schlecht für meine Stimmung ist. In Berlin angekommen, machen wir uns im Hotel frisch und ziehen sofort wieder los. Auf dem Programm stehen die Spielwarenabteilungen sämtlicher Kaufhäuser. Zeugnis- und Taschengeld werden verbraten, dem Papa die Wünsche für den nahenden Geburtstag verraten und ein kleines Erinnerungsgeschenk an den Männerausflug (ein Hubschrauberquartett) wird erstanden.
Es ist bereits nach 19:00 Uhr, als wir wieder im Hotel sind. Dort laden wir nur die Einkaufstüten ab, gehen auf Toilette und stürzen uns dann gleich erneut in das Großstadtgetümmel, um ein uriges Lokal zu suchen. Alle Gaststätten, die ich Paul zeige, sagen ihm nicht zu - entweder findet er kein passendes Gericht auf der Speisekarte oder das Ambiente gefällt ihm nicht. Als auch mein fünfter Vorschlag nicht angenommen wird, resigniere ich und sehe uns schon hungrig zu Bett gehen. So weit kommt es gottlob dann doch nicht, denn plötzlich stößt Paul einen Jubelschrei hervor: „Papa, schau mal! Die ,Goldene Mö-we‘ - da gehen wir hin.“ Außer einem McDonald’s auf der anderen Straßenseite erkenne ich aber keine Lokalität, in der man speisen könnte und erst recht kein Restaurant mit einer Möwe im Gasthausschild. Dementsprechend verwirrt bin ich. Das sieht mir Paul auch an. Wie einem grenzdebilen 98-jährigen Kriegsveteranen erklärt er mir, dass seinesgleichen McDonalds gelegent-lich als Restaurant „Zur Goldenen Möwe“ bezeichnet - wegen des goldfarbenen, geschwungenen „M’s“ im Logo. Aha - da muss man erst mal drauf kommen. Von mir aus, dann mampfen wir halt Big Mäcs und Pommes, besser als wenn Carola morgen in der Zeitung lesen müsste: „Vater und Sohn bei Nahrungssuche in Hauptstadt verhungert.“
Samstag, 9. August
Heute wollen wir, nachdem das Einkaufspflichtprogramm ja absolviert ist, die kulturellen Höhepunkte der Stadt entdecken. Paul hatte sich bereits bei unserer Reiseplanung für einen Besuch im Deutschen Historischen Museum entschieden. Das freut mich natürlich sehr und lässt mich hoffen, dass Sohnemann noch an anderen Themen als an Yu-Gi-Oh, Bionicle, Nintendo und Pokemon interessiert ist.
Die Frühgeschichte mit Kelten und Römern absolvieren wir im Schnelldurchgang, um dann länger im Mittelalter zu verweilen. Vor allem die Schwerter, Lanzen und Dolche haben es Paul angetan. Doch schon die Neuzeit mit den ersten Buchdrucken und Wandteppichen langweilen ihn wieder. So endet unser Museumsbesuch nach kurzen 70 Minuten und wir stehen wieder auf der Straße. Was machen?
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