Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das blaue Buch - Roman

Das blaue Buch - Roman

Titel: Das blaue Buch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
Vom Netzwerk:
hereinspazieren kannst … Du musst sie nicht wieder zumachen – wenn du keine Lust hast. Du wirst ja irgendwann einfach wieder hinausspazieren . Dann ist es bequemer für dich, wenn sie offen bleibt.«
    »Arthur – «
    »Ich weiß, Symbole haben dir ja schon immer gefallen – was hat es also zu bedeuten? Frau im Türrahmen. Was meinst du?«
    Beth bleibt draußen im Durchgang, der dunkle Raum jenseits des Türsturzes ist voller Spannung, von ihm verdichtet, und sie hat das Gefühl, würde sie einen Schritt nach vorn machen, würde sie wie in Wasser laufen.
    »Willst du hereinkommen? Soll heißen: Was willst du?«
    »Ich …«
    Ssschhh.
    »Bitte entscheide dich wenigstens ein einziges Mal, Beth.«
    Also durchschreitet sie die Oberfläche und versiegelt die Atmosphäre um sie mit einem dumpfen Klacken des Türschlosses. »Ich habe ihn verlassen.« Vier kleine Wörter, Bedeutungen, die im blind gemachten Raum vor ihr verschwimmen und fallen, während ihre Augen sich daran gewöhnen.
    Sie hört, wie er über sein Haar reibt.
    »Nein. Du bist zu ihm gegangen. Mich hast du verlassen. Wie üblich.«
    Und sie kann ausmachen, dass er in ihre Richtung schaut, also sagt sie ihm die erste Wahrheit: »Ich habe gesagt, ich würde wiederkommen.« Er sollte alle ihre Wahrheiten bekommen; das wird schwierig, aber so sollte es sein. »Habe ich gesagt.« Sag sie richtig, dann werden sie ihm nicht wehtun, werden ihm nicht wehtun wollen, werden nicht die Absicht haben, irgendwen zu verletzen.
    »Du warst stundenlang weg. Es ist nach Mitternacht.«
    »Das wusste ich nicht … wusste ich nicht.«
    »Du hast mich um zehn angerufen.« Kleine Panikfäden ziehen sich durch diese Worte, und das bedeutet, dass sie beide sich fürchten, und Furcht wird gefährlich sein – ihre noch mehr als seine.
    Ssschhh.
    Es ist also keine Manipulation und keine Täuschung, wenn sie da steht und ihn nicht anschnauzt und so tut, als habe sie keine Angst, sei schlicht verwundert. Und auch im Inneren trickst sie sich selbst aus, indem sie sich vorstellt, ihr Puls sei schläfrig, in ihren Adern ein ruhiger Kreislauf, das wird sie täuschen und sich auf ihn übertragen, denn Trost ist genauso ansteckend wie Verzweiflung. Er möchte lieber getröstet und wohl sein – wie jeder – also wird sie ihn anstecken. Daran ist nichts Falsches. Es ist nicht das gleiche wie bei Derek. Es ist von Belang.
    Er setzt sich, scheint sich zusammenzudrücken, sein Umriss wird dunkler. »Wirst du mir sagen, was du gemacht hast? Oder bin ich es nicht wert, auf dem Laufenden gehalten zu werden – keine Bulletins über deine Bewegungen? Oder ist das wieder eine Strafe?« Er klingt spröde und so, als sollte sie ihn berühren, aber das kann sie nicht – noch nicht – er würde es nicht mögen. »Weil ich … vielleicht, vielleicht wäre das – wenn du das willst. Wenn du Bestrafung willst … wir könnten … Du und ich, wir … wenn wir zusammen sind und es das ist, was du mir tun willst, vielleicht … Wenn ich vielleicht wissen dürfte, was mich erwartet, dann könnte ich zustimmen, und du kannst mich bestrafen, und ich verdiene es, also werden wir das tun. Ist es das, was du willst? Wenn du mich bestrafen willst, dann musst du dazu jedenfalls bei mir sein, und dann wäre ich sicher, dass du bei mir bist. Das wäre eine Tatsache …«
    »Arthur – « Sie schiebt sich langsam voran, auf ihn zu, so wie vielleicht auf ein Tier, auf etwas Fluchtbereites zu. »Wir … was sagst du … Das könnte ich nicht, du könntest nicht – «
    »Dann sag mir, was ich kann!« Seine Stimme hat einen Riss, die Stimme eines Jungen, so verloren, dass es nicht zu ertragen ist. »Was können wir tun?«
    Als sie zu ihm kommt, gibt es Verwirrung, sie ist ungeschickt, erwischt seine Schulter, sein Stuhl ist im Weg, ihre Arme stoßen aneinander, als er sich verdreht, um ihr auszuweichen. »Fang nicht wieder damit an. Bitte.« Aber er greift nach ihren Händen – präzise und schnell – und nimmt sie beide zwischen seine, dann dreht er die Innenseiten nach oben und küsst sie beide mitten ins Herz, mit wachsamen Lippen, intelligenten Lippen, fragenden Lippen. Er schenkt ihr den kurzen, scharfen Druck seines Atems und das Gefühl, dass er nachdenkt, etwas enträtselt, bis er es riskieren kann: »Du hast ihn also gesehen, und er hat irgendeinen Aufstand gemacht, und dann hast du ihn verlassen. Oder du hast ihn gesehen und ihn verlassen, und dann hat er einen Aufstand gemacht. Mir wäre das zweite

Weitere Kostenlose Bücher