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Das blaue Buch - Roman

Das blaue Buch - Roman

Titel: Das blaue Buch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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seinen Rücken: Schulterblätter und das beharrliche Gerüst, den Knochen, den süßen Sinn seiner Struktur, die Bewegung, und diesen Seiten von Arthur ist sie früher schon begegnet, aber sie kannte sie noch nicht. Sie wurden einfach nur vertraut – aber nicht bekannt.
    Der Raum füllt sich mit dem, was aus ihnen werden könnte, wenn sie so viel Neues, so viel Nähe, so viel Vertrauen riskieren, und mit dem, was sie brauchen, finden könnten, mit den Bewegungen der Laken und halben Worten, mit Gemurmel und stärker werdendem Atem, wie sie schieben und rollen, sich gegenüberliegen, an der Schwelle einhalten, wie ihr Schwung sie schmerzt, wenn er durch sie zurückschwingt, sich beschwert, als er nachlässt, doch sie lassen ihn nicht gewähren – leises Reiben und Erinnern, aber mehr nicht, noch nicht.
    Arthur schluckt, verschiebt seine Wange auf dem Kissen, kommt zur Ruhe. »Wieso war es nicht so? Früher? Es war … selbst am Anfang, als … Wenn wir zusammen waren, fand ich, wir waren so sehr zusammen – ich hätte nicht geglaubt, dass irgendjemand mehr … aber es war nicht so wie jetzt. Und vielen Dank auch, aber … Wann hast du angefangen, das zu hassen, was ich tue? War es das? Wann hast du angefangen, mich zu hassen? Du musst mich doch die ganze Zeit gehasst haben, fast die ganze Zeit …«
    »Ich habe dich nicht gehasst.« Wahr. Aber nicht wahr genug. Er sollte die ganze Wahrheit kriegen. »Irgendwann schon. Aber nicht richtig … Ich habe nicht gehasst, was du tust. Ich habe es auch getan … und es geliebt – im ersten Jahr, vielleicht auch länger – es war … es gab eins, was immer so … in anderen Menschen zu sein, andere Menschen zu sein, sich hineinzufühlen in das, was sie sind, wie sie sind – und bei dir zu sein, so dicht bei dir, und … aber … Nein, ich konnte nicht ertragen, was es bedeutet hat – wenn ich darüber nachgedacht habe – ich konnte nicht aushalten, was es war. Also habe ich nicht drüber nachgedacht. Ich habe mir selbst Ssschhh gesagt und mich auf das konzentriert, was ich erwartete, was passieren würde, ich habe nämlich ganz ehrlich geglaubt, an irgendeinem Abend, bei irgendeiner Veranstaltung würde mal jemand aufstehen und sagen: ›Das ist doch lachhaft, das ist so offensichtliche Täuschung, kein Mensch bei klarem Verstand kann das ernst nehmen oder glauben, und ihr seid Betrüger – ihr seid beide Betrüger, und jetzt könnt ihr weggehen.‹«
    Beth streift seine Schulter, seinen Arm, denn er ist zu still, als würde er in sich selbst verschwinden. Sie braucht seine Gesellschaft, sonst kann sie nicht weitermachen. »Ich habe angenommen, es würde irgendwann gestoppt werden. Von außen. Irgendwie. Ich habe es vermieden, selbst irgendwas zu unternehmen, indem ich hoffte, wir würden aufgehalten werden. Aber kein Mensch sagte ein Wort. Niemand da, der nicht glaubte. So viele Menschen, alle so verletzt – sie sind nicht gesund, nicht in der Seele, nicht da, wo wir hinkommen – sie werden uns nicht demaskieren, nicht ihre einzige Stütze wegtreten – dann müssten sie sich bei lebendigem Leib selbst auffressen, oder das, was von ihnen übrig ist. Und wir waren nicht groß genug, dass die Skeptiker bei uns auftauchten und sich wichtig machten – denen waren wir egal: nicht genug Öffentlichkeit für sie. Niemand würde also eingreifen, und du warst so … engagiert. Die Fragenden, die hatten ja nichts anderes, nichts als uns, und wir waren weniger als nichts, wir gaben ihnen weniger als nichts. Und dann wurde es ernst mit dem Geld. Wir verdienten unseren Lebensunterhalt damit. Damit bin ich nicht klargekommen.«
    Wahr.
    Sie schiebt ihr Knie eine Idee zwischen seine, denn das soll ihn daran erinnern, dass er schön ist – sie will nicht verhindern, dass er zuhört, will nicht verhüllen, was sie meint: »Ich habe dich nicht gehasst, aber wenn wir zusammen waren, so wie jetzt, dann hatte ich das Gefühl, du arbeitest und ich bin deine Arbeit – wenn du zum Beispiel diese Scheißhandschuhe ausgezogen hast, und dann auch den Rest … als ob du schwimmen gehst oder so was – einfach nur schnell – nur geschäftsmäßig – sicher, du warst auch erregt, aber … nicht meinetwegen. Es schien gar nicht um mich zu gehen. Es musste ja auch nicht unbedingt um mich gehen, aber … Und ich hatte auch trotzdem … Wenn wir anfingen, dann hast du mit dem ganzen Körper gelauscht, aber nicht so wie jetzt – es war eher wie beim Auftritt. Dich hat – ich will nicht

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